31. ROTTERDAM-MARATHON, 10. April 2011
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AUFBAUKÄMPFE
Silvesterlauf Frankfurt (10 km), 31.12.10
Altenbusecker Halbmarathon, 22.1.11
Mörfelder Halbmarathon, 13.2.11
Bienwald-Marathon, 13.3.11
STRECKE ¤ VORBEREITUNG ¤ MARATHON ¤ STATISTIK ¤ BILDER
Uhrwerk Orange Vol. III - Sonne und Wind machten den Nimbus zuschanden
 
 
Seitdem wir die Großen und Schnellen der „World Majors“ gemacht haben, und auch schon in Rotterdam waren, wissen wir, welcher Marathon der schnellste der Welt ist. Wer will den starken Nimbus bestreiten? Sorgen woanders ein, zwei gekaufte Wunderläufer für eine schnelle Statistik, so redet in Rotterdam eine breite Phalanx von Flinken eine deutliche Sprache. Und das schon seit 1981! Dabei ist Rotterdam beileibe keine Schönheit. Was Rotterdam aber hat, ist ein mitreißendes Publikum, ein Lindwurm aus heiteren Oranjes, und dazu ein leistungsfördendes Teilnehmerfeld über die gesamten 42 Kilometer. Der Läufer ist zu keiner Zeit bedrängt noch allein. Und vor allem: Keine andere bietet solch einen schnellen Asphalt wie die Stadt an der Maas.
 
Wie schon 2010 erlaubten es der Kalender und die Konstellationen, daß wir nach dem Frühjahrsklassiker von KANDEL vier Wochen später mit großer Moral und Durchhaltevermögen in Rotterdam einrücken konnten. Die Erinnerungen an das stimmungsvolle Ereignis an gleicher Stelle im April waren noch frisch. Während ich die hoch gelegte Latte von 2:52 Stunden zumindest angreifen wollte, brannte Peanut auf die Tilgung der bitteren Enttäuschung aus dem Vorjahr, als ihr der Unglücksrabe die Unterbietung der vier Stunden um einen Wimpernschlag von neun Sekunden verwehrte. Was vor einem Jahr in Tränen endete, sollte diesmal besser laufen!
 
.:: DIE STRECKE ::.
Rotterdam ist flunderplatt. An drei Stellen liegt die Strecke sogar bis zu zwei Meter unter dem Meeresspiegel. Start und Ziel sind auf der Ringstraße Coolsingel. Gleich zum Auftakt erreicht die Route auf dem Scheitel der kühnen Erasmusbrücke die höchste Stelle des Marathons. Die Maas überschritten, geht es durch die Wolkenkratzer von „Maashattan“, und das Feijenoordstadion „De Kuip“ wird passiert. Über eine weite Schlinge durch die südlichen Stadtteile wird nach 21 Kilometern der Maashafen gestreift und die Strecke führt zurück über die Erasmusbrücke ins Zentrum. Eine Runde im Kralinger Wald im Norden bildet den ruhigen Kontrast vor dem großen Finale. Alles endet, wo es begann: auf der Coolsingel. Dort wird der letzte Läufer vom Sieger als erstem Gratulanten erwartet. Rotterdam steht für ein lockeres Fluidum mit Zuschauern und Kapellen in unabsehbarer Zahl am Rande. Legendär machen den Wettstreit seine phänomenalen Zeiten. Allerdings kann der starke Wind, der in der Gegend meist herrscht, einen Strich durch die Rechnung machen. In der ewigen Zehnerwertung der besten Männer war Rotterdam 2010 „Het snelste hardloopwedstrijd“ vor Berlin und London! Der Streckenrekord datiert aus dem Jahr 2009. Damals lief der Kenianer Duncan Kibet 2:04:27 Stunden. Dreimal wurde der Weltrekord gebrochen:
 
   1985 - Carlos Lopez (Portugal) 2:07:12
   1988 - Belayneh Dinsamo (Äthiopien) 2:06:50
   1998 - Tegla Loroupe (Kenia) 2:20:47
 
Virtuelle Streckenführungen
Parcours Video
GPSies
 
.:: DIE VORBEREITUNG ::.
Rotterdam war die Fortsetzung von Kandel. Der 14wöchige Streifen zum Bienwald-Marathon wurde um vier verlängert. Ohne Trainingsplan und Laufgruppe haben wir alles allein durchgezogen.
 
Ein Trainingsbeispiel - die Gipfelwoche vom 10. bis 16. Januar 2011:
 
Mo.: 19 km mit 15-km-Tempodauerlauf
Di.: 30 km Dauerlauf, davon die erste Hälfte bergauf, die zweite bergab
Mi.: 21 km Steigerungslauf in 1:56 Std.
Do.: VM: 18 km mit 10 x 400 m bei Dauerregen auf Tartan; NM: 9 km Schützenhilfe für Peanut
Fr.: 9 km ruhiger Dauerlauf
Sa.: 40 km langer
Ausdauer-Lauf mit 15 km Endbeschleunigung in 3:17 Std.
So.: 24 km mittlerer Dauerlauf in 2:15 Std.
Täglich: 15 Min.
Kraft für Rücken, Bauch, seitlichen Rumpf sowie vordere und hintere Oberschenkel, dazu Lauf-Einmaleins (Aufwärmung, Koordination und Beweglichkeit).
 
 
Die bestrittenen AUFBAUKÄMPFE (Klick aufs jeweilige Veranstaltungsemblem öffnet einen Bericht):
 
32. SPIRIDON-SILVESTERLAUF FRANKFURT, 31.12.10
(10 km)
 
34. ALTEN-BUSECKER WINTERSERIE, 22.1.11
(Halbmarathon)
 
34. HALBMARATHON DER SKV MÖRFELDEN, 13.2.11
 
36. BIENWALD-MARATHON KANDEL, 13.3.11
Hier Vitus´ 16 TRAININGSWOCHEN vom 20. Dezember 2010 bis 10. April 2011 in der Übersicht:
 
01. Wo. (150 km): Training
02. Wo. (125 km): 10-Kilometer-Wettkampf (40:58)
03. Wo. (140 km): Training
04. Wo. (170 km): Training
05. Wo. (133 km): Halbmarathon (1:24:30)
06. Wo. (150 km): Training
07. Wo. (160 km): Training
08. Wo. (121 km): Halbmarathon (1:24:08)
09. Wo. (161 km): Training
10. Wo. (150 km):
Training
11. Wo. (130 km):
Direkte Wettkampfvorbereitung
12. Wo.
0(98 km): Aktive Erholung - BIENWALD-MARATHON (33. in 2:57:02)
13. Wo.
(100 km): Wiederherstellung
14. Wo. (140 km): Wiederherstellung und Training
15. Wo. (130 km): Direkte Wettkampfvorbereitung
16. Wo.
0(91 km): Aktive Erholung - ROTTERDAM-MARATHON (332. in 2:56:40)
Gesamt: 2149 km
 
.:: DAS RENNEN ::.
 
31. ABN AMRO MARATHON ROTTERDAM, 10. April 2011
Donnerstag, 7. April
 
Unsere Anreise erfolgte früh und wie gewohnt auf dem Schienenweg. Durch Plätze direkt hinter der Lokführerkanzel ergaben sich diesmal sehr erquickende und keineswegs langweilige Aussichten aufs Tiefland zwischen Hessen und Südholland. Feld, Wiesen und Tunnel waren stellenweise mit mehr als 300 Stukis direkt auf uns zugeflogen. Am späten Nachmittag waren wir an die Stätte meines besten Marathons zurückgekehrt, hatten das gewohnte Hotel am nördlichen Maasufer bezogen, und uns mit Lebensmitteln eingedeckt.
 
Freitag, 8. April
 
Durch einen Mückenstich war ich um fünf wach. Mit einer unruhigen Nacht sollte es aber nicht getan sein: Ich hatte nur schäbige Klamotten eingepackt, in denen ich mich scheußlich und schrecklich plump fühlte - nur Lumpen. Den Besuch der Marathon Sport Expo mit Abholung der Startunterlagen hatten wir am Mittag hinter uns. Erneut spielte sich alles im Beurs-Gebäude nah der Startlinie ab. Ferner wurde Peanut vom intensiven Grün der neuen Adidas-Kollektion zu einem Großeinkauf von 210 Euro verführt. Im Grunde wurde meine Freundin auf der Messe vollkommen neu eingekleidet. Ich selbst hatte lange über einen frischen Adizero Boston nachgedacht, wegen plötzlichem Reichtums dann aber noch mal auf das alte Modell gesetzt. Ein paar lockere Kilometer im Park mußten auch noch gelaufen werden.
 
Sonnabend, 9. April
 
Außer Schlafen, Essen, Trinken, etwas Muskelpflege und ausgiebigem Studium von Presse und Fernsehfunk war wenig zu tun. Beherrscht wurden Hollands Schlagzeilen heute aber nicht vom größten eintägigen Sportereignis im Lande - dem Marathon von Rotterdam - sondern von einem bizarren Blutbad. An diesem wonnigen Tag war ein junger Niederländer aus seinem Auto gestiegen und hatte sechs Menschen in einem Einkaufszentrum in Alphen umgenietet. - Nach einer letzten Besprechung haben wir uns gegen 23 Uhr hingelegt. Die Anspannung ging aber erst nach Mitternacht...
 
Sonntag, 10. April
 
... und um 5.45 Uhr war ich schon wieder wach.
ROTTERDAM-MARATHON! Wind zerrte an der Neonreklame über unserem Zimmer. Um sieben habe ich Peanut geweckt und mich etwas eingelaufen. Neben dem Lüftchen von der See war es auch hübsch warm geworden. Der Sonntag sollte ein sonniger, wonniger wie aus dem Bilderbuch werden! In Paris zog man den Start wohlweislich um eine viertel Stunde auf 8.45 Uhr vor. Rotterdam mußte unterdes bis 11 Uhr ausharren. Und der Feuerball stand noch nicht mal ganz oben! Das weckte böse Erinnerungen ans Jahr 2007, als das Rennen wegen sengender Hitze abgebrochen wurde... Los ging´s, wir griffen an! Mit der Metro und zu Fuß hatten wir um 9 Uhr 45 den Umkleideraum in der Albeda-Halle erreicht, und nach einem vierten Dünnschiß zwischen abgestellten Autos standen wir in den Blöcken. Die Sonne strahlte aus allen Rohren, Menschen trugen kurze Hemden und die Schenken rund ums Rathaus waren voll bis aufs letzte Stühlchen... Nachdem wir 2010 aus der linken Spur der Coolsingel starten mußten, waren wir diesmal den „Startvakken“ (Startboxen) zur Rechten zugeordnet. Peanut lief aus Box E an, ich aus C, Seite an Seite mit den schwarzen „Magnifiicient Seven“ mit Bestzeiten von 2:05 und 2:06 Stunden. Nach einer Schweigeminute für die Toten des Massakers in Alphen und dem Verklingen von „You´ll Never Walk Alone“, ließ der Bürgermeister 12 647 Sportler, davon 8020 Marathonläufer, von der Kette. START! Dem Ersten im Ziel winkten bei Unterbietung des Weltrekords zum Preisgeld noch 350 000 Dollar Prämie extra.
Erasmusbrücke Rotterdam 2011 (© Vitus)
Kilometer 0 bis 10: Vom Centrum über die Erasmusbrug vorbei an „De Kuip“ nach Feijenoord
 
Von der Coolsingel flutete das Feld Richtung Süden zur Maas. Trotz meiner Aufstellung weit vorn verlief der Auftakt zäh. Das dichte Feld mit vielen reingemogelten Langsamen sorgte für Gefahren und verlangte hohe Wachsamkeit. Gleich auf dem zweiten Kilometer war mit dem Scheitelpunkt der Erasmusbrücke die größte Steigung genommen und südlich der Maas die Teilgemeinde Feijenoord erreicht. Nun bog die Route um den Wolkenkratzer Maastoren auf die stadtauswärts führende Laan op Zuid. Nach einem Wadenkrampf zu Beginn, spürte ich nach wenigen Kilometern einen Schmerz - so was wie einen Ermüdungsbruch - im Mittelfuß. Aber zumindest das sollte alles halten. Unsicher war ich, was die Beine anging. Schließlich lag Kandel nur 28 Tage zurück, und bei meinen schnelleren Läufen danach, hatte sich der linke Oberschenkel verkrampft. Das hatte mich zu einem allzu vorsichtigen Auftakt verleitet. Zudem hatte ich mich von der Masse einlullen lassen. Entsprechend schlecht fiel die Angangszeit aus. Das 4-Kilometer-Schild war das erste, was ich ausmachen konnte, und die Uhr zeigte 17:03 Minuten an. Damit war das Ziel „Marathon unter 2:50 Stunden“ eine Minute im Hintertreffen. Das Stadion des Arbeitervereins Feyenoord passiert, und in Lombardijen angelangt, war ich bei Kilometer 10 fast zwei Minuten langsamer als im Jahr zuvor an selber Stelle!
 
Kilometer 11 bis 20:
Eine Schlinge durch den Zuiderpark
 
Sehr früh war der Nimbus „Rotterdam“ durch äußere Umstände ruiniert worden. Dazu zählten auch die Hunderte von Firmentrupps mit ihren Angebertrikots und die Pappkameraden der Staffeln, die nur zu viert schaffen, was ein Marathonläufer allein leistet. (Aus Scham hielten manche ihre entlarvende Schärpe in der Hand versteckt, um so auch noch als Marathonkämpfer gefeiert zu werden.) Hinter dem Zuiderpark hatte der Wind ein Loch gerissen, das niemand schließen wollte. So kam es beinahe zum Kuriosum eines Stehversuchs wie beim Radfahren. Zwei Blitzpuppen aus Oranje opferten sich, nahmen die Führung - und stiegen kurz darauf aus. Vorm 20. Kilometer hatte ich mir auch meine einzige eiserne Ration - ein Gel-Tütchen - in den Mund gequetscht (das zweite war früh hops gegangen). Sichergestellt war hingegen der Nachschub mit Flüssigkeiten. Neben dem Zuckerwasser Extran wurden alle naselang Wasser und Schwämme gereicht. Daß trotzdem zweihundert Läufer während und nach dem Marathon medizinische Hilfe brauchten, kann den Machern nicht angelastet werden. Die Organisatoren hatten alles für einen qualitativ hochwertigen und perfekt aufgezogen Wettkampf getan.
 
Kilometer 21 bis 30:
Von Charlois über Katendrecht und die Maas ins Centrum nach Noord
 
Bei Halbmarathon hing ich mit drei Minuten auf meine Bestzeit aus dem Vorjahr hinterher. Mit 1:28 Stunden war sogar eine Endzeit unter drei Stunden in Gefahr. Zur eigenen Schwäche gesellte sich die immer stärker stechende Aprilsonne, die vom Beton Rotterdams besonders brutal abgestrahlt wurde. Auf dem Zement der Brieselaan durch die baumlose Gegend hinterm Maashafen habe ich auch an A u f g a b e gedacht. Doch ich hatte keinen weiteren Wettkampf geplant. Rotterdam war das letzte Ziel! Und letztlich findet sich unter vielen Läufern auch immer jemand, an dem man sich neu aufrichten kann. Nach 25 Kilometern schlug meine Stunde, ich begann die Meute von hinten aufzurollen. Die Erasmusbrücke zurück in den Norden der 600
 000-Einwohner-Stadt brachte den ersten großen Schub. Von hier an zwang ich einen nach dem anderen nieder. Der freie Fall von diesem gigantischen Viadukt über die Maas in den Hexenkessel am Löwenhafen gehört sowieso zum größten Gefühl im Marathon weltweit. Die Zuschauer von Rotterdam sind der Wahnsinn. Es war bestimmt wieder ein Milliönchen unterwegs! Keine Zerstreuungssüchtigen sondern Anstachler. Ich hatte Gänsehaut den ganzen Marathon lang! Nach der Senke unter der Coolsingel hindurch, war es die Warande, die eine Wiederholung der Geschehnisse von 2010 brachte: Erst stürmten mir auf der Gegengerade zwei rasende Kenianer an deren 40. Kilometer entgegen - heute aber nicht Makau und Mutai sondern Chebet und Kiprono - ... und zehn Kilometer später wiederholte sich die spielgelverkehrte Begegnung mit meinem Mädel, als ich nun meinerseits 40 und Peanut 30 Kilometer hinter sich hatte.
 
Kilometer 31 bis 40:
Rund um den Kralingensee
 
Nach dem Trubel im Zentrum führte die Route durch den Wald um den Kralinger See, auch Plas (Pfütze) genannt. Hier hatte ich das Glück, eine gute Gruppe zu erwischen. Es wurde wie in einem Zug Windschatten gelaufen und man trieb einander nach vorn. Neben einem Dutzend Männer befanden sich darunter auch eine schnelle Blonde sowie eine Kenianerin. Beide sollten sich im Endresultat weit vorn wiedergefunden haben. Auf dem Rückweg vom nördlichsten Streckenpunkt nach Süden über die Straße Boszoom und durch eine kleine Siedlung hindurch, wuchsen mir Flügel. Meine letzten 5-Kilometer-Abschnitte waren mit 20:45 Minuten allesamt eine halbe Minute schneller als der erste im Rennen! Auf der Kralingse Plaslaan - einen Steinwurf entfernt hatten sich tags zuvor Excelsior und De Graafschap im Abstiegskampf torlos getrennt - peitschten erneut Scharen von Menschen und Kapellen nach vorn, und im Tohuwabohu der Warande trafen sich die Blicke mit Peanut. Da ich diese Stelle vier Minuten später als vor Jahresfrist erreichte, konnte ich in diesem Augenblick nur schwere Gedanken für meine Freundin haben. Eine Marathonzeit um die 4:10 Stunden hatte ich für Peanut befürchtet. Doch die Dinge sollten sich auf gütige Weise wenden...
 
Kilometer 41 bis 42,195:
Von Kralingen zurück zur Coolsingel
 
Derweil Peanut parallel zur nie berührten Rotte in den Kralingenwald eintauchte, rückten für mich schon die surreal aussehenden Kubuswohnungen in Sicht. Der Tunnel darunter brachte den einzigen Schatten auf den gesamten 42 Kilometern! Vorbei am Glas und Beton des „Blaak“ war das finale Sperrfeuer der Coolsingel erreicht. Meine Endzeit von 2:56:40 Stunden war deprimierend und der Gesamtplatz 333 schon der halbe Weg in die Hölle. Daß die zweite Rennhälfte eine Minute schneller als die erste war, sprach für sich. „Negativer Split“, sagt das Läuferlatein dazu.
 
Aber auch die Topathleten wurden von den Erwartungen zerdrückt. 25 Kilometer war die Spitze schneller als Haile Gebrselassie 2008 in Berlin. Nachdem zwei der „Magnificient Seven“ früh ausgefallen waren - Kipyego durch Sturz über eine Wasserflasche am Kilometer 10, „Dark Horse“ Kiptanui wegen einem niederen Bedürfnis nach 17 Kilometern (ein Zuschauer half der unbekannten Größe aus Afrika beim Öffnen der Toilettenkabine) - streckten im Wald von Kralingen dann auch die letzten Helfer früher als geplant die Waffen. Die hohläugigen Zwerge Kenias erwiesen sich als die zähesten ihrer Art. Chebet und der eigentliche Favorit Kipruto hängten den ersten Erzrivalen aus Äthiopien - Dechasa - um drei Minuten ab. Doch ein Sieg mit 2:05:26 ist heute nichts Außergewöhnliches mehr. So weit sind die Leistungen schon fortgeschritten! Der Weltrekord und der Scheck über 350
 000 Dollar waren ebenso verfehlt, wie der Traum des schnellsten Holländers von einer Zeit unter 2:10 Stunden. Raymaekers fehlten drei Minuten zu diesem Ziel. Daß heute nicht viel läuft, hatte Koen schon nach zehn Kilometern gemerkt. Eine Niederlage mußte auch die für Oranje antretende Kenianerin Hilda Kibet einstecken. Eine frühere Landsfrau war besser. Kibet wurde um sechs Sekunden von der erstmals einen Marathon laufenden Ongori geschlagen. Höhere Gewalt vereitelte heute so manches.
 
Nach dem Drama vom Vorjahr, als ihr neun Sekunden zur Unterbietung der Vier-Stunden-Barriere fehlten, wurde heute alles gut für Peanut. Schmerzen in den Oberschenkeln nach 30 Kilometern hatten sie erneut an den Rand einer Tragödie gedrängt. Aber weder die körperlichen Qualen, noch gefühlte 28 Grad oder die pausenlosen Sirenen konnten sie aufhalten. Auf den letzten zwölf Kilometern hat sie mit Leib und Seele bis zum Umfallen gekämpft. Aber erst am Schild „400 meter“ wußte sie, daß es reicht. Im ZIEL war Peanut 60 Sekunden schneller als im letzten April. Mit 3:59:08 Std. war nicht nur die begehrte Grenze geknackt, sondern auch noch ein Rang im vorderen Mittelfeld besetzt. Und das will bei dem niedrigen Frauenanteil in Rotterdam etwas heißen! Von 12
 647 Startern kamen lediglich 7346 ins Ziel! Durch die Absperrgitter und das Gewimmel im Zielbereich fanden wir zusammen. In einer Ecke hinter der Fontäne des Hofplein ist dann alles aus ihr herausgebrochen. Fünf Monate Vorbereitung, oft bei Schnee und Dunkelheit, dazu der Bienwald-Marathon erst vor einem Monat, und heute der Sekundenkrimi von Rotterdam: Peanut hat sich hingesetzt, ihren Kopf zwischen den Händen vergraben und ganz allein geweint.
Der Kampf in einer BILDERTAFEL... anklicken............
Erstmals wurde in Rotterdam eine Gravur der Medaille angeboten. Zu diesem Zweck war ein Mann aus München angereist, den wir vom Münster-Marathon kannten. Da sich niemand weiter für den eingeritzten Namen und die Zeit auf der Medaille interessierte, war ich der Erste am Graviererzelt. Dort durfte ich auch die Medaillen der ersten Zehn bestaunen, die den gleichen Messingorden wie wir bekamen. Wilson Chebet 02:05:26, stand da auf einer... Zum Abschied bedachte mich der Mann aus Bayern mit einem zünftigen „Pfiati!“ (Behüte dich Gott!) - - Achtung, kein Schreibfehler!: Acht Stunden nach dem Start konnte Peanut zum erstenmal wieder pinkeln. So ausgetrocknet war sie!
 
 
FAZIT
 
Rotterdam besitzt die flachste und wohl bestpräparierteste Strecke der Welt, das ist unumstritten. Aber neben einem schnellen Kurs und schnellen Läufern gibt es einen unberrschbaren Widersacher auf der endlos scheinenden Mission: das Wetter! Für die bestmögliche Leistung muß alles stimmen, Temperatur, Wind, Luftfeuchtigkeit... Vielleicht fällt der Weltrekord im nächsten Lenz... Ähnlich vage blieb das Verhältnis von Organisation und Ausstrahlung: Das Team um Mario Kadiks arbeitete pragmatisch und hochkompetent. Rotterdam ist weder ein wohliger noch ein beschaulicher Ort. Aber die Stadt an der Maas hat mit das beste Publikum der Welt. Der Marathon ist ein Volksfest, und die Wirkung des „Heartbeat of Rotterdam“ einmalig und noch sehr lange nach dem Kampf zu spüren! Für die Materialinteressierten diese Auskunft: Vrouw Peanut trug den Schuh Asics Gel-3010, Vitus (zum fünftenmal) einen Adidas adiZero Boston von 2009.
POST-MARATHON-KULTUR
 
Nach einer ersten Aufarbeitung bei Getränken an der Hotelbar, und nachdem Peanut ihren Sonnenbrand versorgt hatte, waren wir mangels offizieller Abschlußzeremonie einmal mehr zum Fleischbällchen-Essen im Hafenkrug „Ballentent“, und ferner bei alternativer Kunst im Klub „Rotown“. Marathonkämpfer wurden dort nicht mehr gesichtet. Nur Szenefiguren und viele Blechbläser. Der Bericht ist hier zu finden:
...... Monsieur Dubois und Scarlet Mae
 
Montag, 11. April
 
Im Anschluß an unser Frühstück im Hotelrestaurant „The 4 Bridges“ (benannt nach den vier Brücken über die Maas) mußten wir die Kammer 723 räumen. Beim Ausbuchen empfohl mir das Personal einen „Cut“ des Pferdeschwanzes, um so in Rotterdam 2012 eine schnellere Zeit zu schaffen. Immerhin mit der ersehnten „2“ und „3“ vorm Doppelpunkt haben wir das Tiefland im Frieden verlassen. Die Rückfahrt im ICE durften wir wiederum direkt hinter der Lokführerkanzel mit Ausblick aufs weite Land genießen..
 
Kampfläufer Vitus dankt
Marathona Peanut (für die große Ruhe und die Übernahme der Unterbringungskosten)
Dem unbekannten Medaillengraveur aus München
 
 

Kampfläufer Vitus, 20. April 2011
 
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, um 18ºC, mäßiger Nordostwind (Stärke 4), 55 % Luftfeuchtigkeit
Zuschauer: ca. 900
 000 (Großrotterdam)
 
Teilnehmer insgesamt:
12
 647 aus 55 Nationen (Marathon, 10 km, 5 km, Staffeln)
Marathonläufer am Start:
8020 (84 % Männer, 16 % Frauen)
Marathonläufer im Ziel:
7376
10-km-Läufer im Ziel: 6443
05-km-Läufer im Ziel: 1638
 
Männer
1. Wilson Chebet (Kenia) 2:05:26 (WJB)
2. Vincent Kipruto (Kenia) 2:05:32
3. Chele Dechasa (Äthiopien) 2:08:46
4. Eliud Kiptanui (Kenia) 2:09:06
5. Alemayehu Shumye (Äthiopien) 2:09:34
6. Michael Kipyego (Kenia) 2:11:01
 
Frauen
1. Philes Ongori (Kenia) 2:24:18
2. Hilda Kibet (Niederlande) 2:24:26
3. Lishan Dula (Bahrein) 2:26:54
4. Alessandra Aguilar (Spanien) 2:26:58
5. Rita Jeptoo (Kenia) 2:28:08
6. Shetaye Bedasa (Äthiopien) 2:29:49
 
Kampfläufer Vitus (Spiridon Frankfurt)
Startnummer:
3577
Nation: Deutschland
Zeit: 2:56:40
Platz:
332 von 7376 Gesamt
Platz: 38 von 1247 in Klasse M45
Zwischenzeiten
05 km: 21:14 (21:14)
10 km: 42:04 (20:50)
15 km: 1:03:02 (20:58)
20 km: 1:23:54 (20:52)
HM: 1:28:46
25 km: 1:45:03 (21:09)
30 km: 2:05:50 (20:47)
35 km: 2:26:39 (20:49)
40 km: 2:47:26 (20:47)
Geschwindigkeit: 14,330 km/h
 
Peanut (Spiridon Frankfurt)
Startnummer:
F860
Nation: Deutschland
Zeit:
3:59:08
Platz: 3642 von 7376 Gesamt
Platz: 54 von 249 in Klasse W45
Zwischenzeiten
05 km: 26:46 (26:46)
10 km: 53:33 (26:47)
15 km: 1:21:25 (27:52)
20 km: 1:49:23 (27:58)
HM: 1:56:00
25 km: 2:18:01 (28:38)
30 km: 2:46:43 (28:42)
35 km: 3:16:23 (29:40)
40 km: 3:46:48 (30:25)
Geschwindigkeit: 10,587 km/h
 
Zusammenbrüche
95 Personen wurden medizinisch versorgt.
67 bekamen eine Infusion.
15 Personen mußten ins „Ziekenhuis“ (Krankenhaus), darunter eine mit Herzstillstand.
 
Ergebnisse

Uitslagen