GRIM VAN DOOM, MORASTH, ODD
D-Mainz, M8 - 12. Mai 2017
((((((o)))))) Unter dem Banner RHEIN-MAIN VANDALIZED hatte das Konzertbüro „May We Doom You Promotion“ Mitte Mai eine postdoomige Blitzkampagne über zwei Nächte aufgezogen. Die erste mit Grim van Doom, Morasth und ODD im Klub „M8“ in Mainz. Die zweite mit Brache, Hexer, ODD und Morasth in einer Geheimen Höhle in Frankfurt. Frau Peanut und ich waren von Morasth zu einem Besuch in Mainz eingeladen worden. Jenes fand sich wunderlicherweise an einem ganz und gar unbedrohlichen Ort, unweit der großen Rheingoldhalle in einem Fachwerkgewinkel mit dem romantischen Namen Mitternachtsgasse. Amtlich 61 Zahlende füllten den Klub im Bar-Ambiente zur Hälfte aus: drei Viertel schicke Studenten mit Wein in der Hand, dazu eine Handvoll abgewrackte Erscheinungen aus Mombach. Meine Unkenntnis vor Ort ließ mich von einer peinlichen Situation in die nächste stolpern. Aber die Leute waren - abgesehen von einem unbekannten Mailverkehr aus grauer Vorzeit - nie lästig. Einer mit eremitischem Bart bot mir sogar einen „Pennplatz“ an. Der Ort trug nur diese Makel: Er war stickig, klaustrophobisch eng und entbehrte jedem Doomflair. Aber es sollte sich lohnen!
Halb zehn entfaltete sich vor unseren Augen eine abgründige Stimmung. Die Bühne badete in Blutrot. Licht gab es keines. Doch etliche schwarzmagische Utensilien des Gehörnten lagen oder standen verstreut herum. Nebel waberte. Dazwischen standen drei Männer ohne Namen und Gesicht, die dem Vernehmen nach aus Darmstadt stammten, und die sich nur unter Kapuzen vermummt zeigten. Punkt 21 Uhr 26 öffnete sich das Tor zur Hölle zu einem vierzigminütigen Trip in die Finsternis. Nur mit einem Schlagzeug, einem Mikro und einem tiefgestimmten Sechssaiter, der unorthodox über zwei Verstärker gespielt war, lieferten ODD einen rabenschwarzen Mix aus der Langsamkeit des Funeral Doom und der Attitüde des Post Black Metal, die man getrost Black Doom nennen durfte. Zeitlupenhafte Apparillos kreuzten sich mit sludgy betrunkenen Vokalen zwischen Sunn O))) und Urfaust. Dazu waren höchst verstörende Laute und Worte aus dem Off zu hören: teuflisches Glucksen, exorzistische Beschwörungen und die bebende Stimme einer Frau, die ein satanisches Opfer bringen sollte. Abgeschlossene Titel kannte dieser Auftritt nicht, er folgte einem Konzept, daß identisch mit dem auf Tonband gebannten Material war. Am Ende stand ein ultraharter, bedrohlicher Nackenbrecher. Im Nachgang durfte ich zwei der insgesamt zwanzig existierenden Kassetten von Odd erwerben. Bei genauem Hinsehen wurde mir klar, daß hier Freaks am Werke waren. In offenbar stundenlanger Handarbeit waren Hülle, Druck und Wachssiegel angefertigt, Numerierung und Seitenbeschriftung von Hand in die Kassette eingeritzt worden. Im Inneren lag ein Aufnäher mit dem umgedrehten Dreizack von Odd. Während Odd einem mit ihrer okkult-luziferischen Art das Schaudern in die Glieder trieb...
... erschienen MORASTH wie Menschenkinder zum Berühren. Nicht nur, daß die vier mit Hauptquartier Mainz entwaffnend charmant und durchaus sensibel daherkamen, nein, in ihrer jüngst erschienenen Aufnahme 'Chasma' sind sogar unverblümt die Namen abgedruckt. Mit ihrem zerquetschenden Ambient Doom hatten Morasth uns vor einem halben Jahr im Vorprogramm von Ufomammut im wahrsten Sinne den Atem geraubt. Nicht nur das!: Morasth waren an dem Abend besser als die Legende aus Italien, und sie gehören für mich seither zu den erfrischendsten Schallwellenreitern hierzulande seit Daturah und Omega Massif. Das Kommando Eckhardt, Könemann, Welter und Rodig setzte an, wo es im Herbst endete, und zelebrierte in höchst eindringlicher Manier auf Worte verzichtenden, seherisch-zermalmenden Drone Doom nah am Stillstand. Nach einer brachialen ersten halben Stunde - heute bedeutete dies: im Mittelteil! - wurde es etwas leuchtender, heller. Dadurch lösten sich die Raumgrenzen klanglich auf. Die Musik bewegte sich in flächigeren Postrockgefilden und täuschte damit eine andere Dimension vor. Der Hintergrund erweiterte sich ins Unendliche, die Akteure davor verschwammen in einem Schleier aus Dunst und Nebel. Gefühle von Katharsis waren mutmaßlich erwünscht. Bis die finalen fünf Minuten in einen Sturm aus schwarzmetallisch vibrierenden Trossen mündeten. Das heutige Klangereignis mit Morasth währte eine ganze Stunde, es war etwas „stiller“, und es wird in dieser Länge wohl auch einmalig bleiben.
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ODD
(21.26-22.08)
1. Intro
2. 49°
3. 46'
4. 35.5“
5. N 9°
6. 11'
7. 01.8''E
 
MORASTH
(22.40-23.36)
1. Evocatio
2. Hybris
3. And On Celestial Shores I Build Enormous Sepulchres
4. Neues ohne Titel
In Gestalt von GRIM VAN DOOM sollte uns die vom Kreuzzug mit Cult of Occult bekannte Crew von der Wupper den Fangschuß setzen. Wer danach noch aufrecht stand, sei zu sehen, wenn das Licht wieder angeht: So wurde es angedroht. Doch dann waren drei Viertel des Publikums plötzlich verschwunden. Da wir den Sludge von Lansky und Konsorten noch gut aus Dresden in Erinnerung hatten, und sich im Laufe der Nacht auch keine neuen Erkenntnisse durch ein etwaiges Gespräch ergaben, entschieden wir uns zum vorzeitigen Aufbruch während des Umbaus. Mit einem der letzten Züge wahrten wir uns außerdem die Möglichkeit für das nachfolgende Ritual in Frankfurt. Daß heute jemand den Slogan „Rhein-Main Vandalized“ wörtlich genommen hatte, bewies die vor der M8 zerschmetterte Bierflasche. Es war schon nach Mitternacht, als Peanut und ich in die S-Bahn am Römischen Theater stiegen. Eine äußerst kriminelle Heimfahrt folgte.
Eine Nacht später folgte eine Fortsetzung im vierzig Kilometer entfernten Frankfurt. Eröffnet wurde sie durch Morasth, besiegelt von den Blackmetallern Brache. Austragungsort war ein Keller im ehemaligen Frankfurter Polizeigefängnis. Nicht nur, daß dieser Ort mitten im Zentrum der Großstadt sehr speziell schien, nein, er mußte GEHEIM bleiben und wurde nur auf Anfrage herausgegeben. Wir haben uns in letzter Sekunde gegen einen Besuch entschieden. Auf eine geschlossene Gesellschaft hatten wir keine Lust. René von Morasth teilte mir mit, daß Morasth nur halb so lang und halb so gut wie in Mainz waren. Dafür sollen ODD, Hexer und Brache umso eindrucksvoller gewesen sein. Insgesamt erwies sich die Lokation „im höchsten Maße für Doom geeignet“, die Atmosphäre war angenehm, die Akustik überraschend gut. „Authentischer ging´s kaum.“ Am Sonntagmorgen um halb sechs waren Morasth mit dem Abladen im Übungsraum fertig. Der eine oder andere Doomboy hatte auch einen dicken Kater......
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 15. Mai 2017