2. GROßER PREIS DER STADT TRIER
29. Mai 2022
Für Frank
 
 
Vor einem Monat war mein Vater gegangen. Wir hatten uns so viele Jahre nicht gesehen, aber es war mein Vater! Seine letzte Reise bekam er fünf Tage nach dem Rennen in Trier. Man sagt: Die Zeit heilt alle Wunden. Aber nun waren meine Eltern und Großeltern nicht mehr da. Zudem mußte sich am Dienstag das geliebte Dynamo Dresden in eine andere Welt verabschieden. Dunkle Vorzeichen warfen lange Schatten auf das Rennen in „Augusta Treverorum“. Als letzter Lebender unserer Blutlinie auf dem Erdball fuhr ich in Gedanken an meinen Vater.
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Finstere Zeiten hatte auch der gastgebende RV Schwalbe Trier hinter sich: Nach der Erstauflage 2019 konnte das Rennen zwei Jahre lang wegen Corona nicht stattfinden. Nun freuten sich alle auf ein neues Leben, daß „alles glatt und gute Musik läuft, daß jeder Freude hat und niemand durstig nachhause geht“....
.:: DIE STRECKE ::.
Mit einer Kulisse gespickt aus drei Welterbestätten, Millionen geschichtsträchtiger wie gefürchteter Kopfsteinpflastersteine, mitunter nur drei Meter schmalen Sträßchen, sechs turbulenten Kurven, und dies immer hauteng an riesigen Zuschauermassen, übertraf der Kurs in Sachen Originalität viele andere locker. Der Start erfolgte mit Blick auf den Kirchturm von Sankt Gangolf in der Simeonstraße, der Achse zwischen Porta Nigra und Hauptmarkt. Vom Hauptmarkt führte eine scharfe Linkskurve von der Sternstraße durch den Domfreihof vorbei am Trierer Dom und der Liebfrauenbasilika. Dann ging es auf dem mörderischen Kopfsteinpflaster der Wind- und Flanderstraße durch den Rindertanzplatz und vorbei an der römischen Torburg Porta Nigra. Von der Porta schließlich führte die Simeonstraße zweihundertfünfzig Meter lang ins Ziel. Die Runde maß 1,2 Kilometer, sie war flach und zu achtzig Prozent gepflastert. Wenn es regnet - Gute Nacht in Deutschlands ältester Stadt!
.:: DAS RENNEN ::.
Seit einem Monat kein Training mit der Gruppe, vor drei Wochen das letzte Radrennen, als einzige echte Belastung die Kettenhunde-Challenge „Feldbergkönig“ im Taunus: Mit wenig professioneller Vorbereitung und in denkbar schlechter mentaler Verfassung ist Frau Peanut am Sonntagmorgen von Frankfurt aus mit mir nach Trier aufgebrochen. Auf verschlungenen Wegen, über Autobahnen und Landstraßen, hatten wir uns nach knapp drei Stunden zur Moselstadt kurz vor Luxemburg durchgeschlagen. Dort verirrten wir uns mehrmals im mittelalterlichen Gassenlabyrinth. Um ein Haar hätten wir sogar den eigenen Volkswagen nicht wiedergefunden. Turbulent zeigte sich auch Petrus mit Sonne, Wind und Wolken im fliegenden Wechsel. Es war empfindlich kühl. Die Anmeldung erspähten wir in der Glockenstraße unter einem kleinen Verdeck hinter dem Wettkampfwagen. Ferner entpuppte sich die Veranstaltung als blendend durchgetaktet. Die Rennstrecke war durchgängig abgegittert. Einhundertdreißig Helfer ermöglichten mit Schleusen die Überquerung. Elektronische Tafeln am Zieltor zeigten die Fahrzeit und verbleibenden Runden an. Ein Streckensprecher, der sich gut im Radsport auskannte, führte die Trierer und Stadtbummler durch den Tag. Einziger Makel: Überrundete sollten das Rennen verlassen. Ab 12 Uhr war Racing-time!
Auf die Sekunde genau um 12 Uhr 30 erfolgte der START für die Schar der Masters 4 über zwanzig Runden gleich 24 Kilometer. Volle Attacke - gegen zum Teil unbekannte Widersacher aus Westdeutschland. Durch Abstützen an der Bande erwischte ich mit eingeklickten Schuhen einen Blitzstart und lag von Anfang an vorn. Nach drei Runden schloß die mit etwas Abstand ins Rennen geschickte Jugend auf. Zwei setzten sich nach vorn ab; der Kölner Vorbeck und ich folgten. Aber der gut zusammenarbeitende Rest ließ uns nicht aus den Augen. Mit vereinten Kräften blieben sie dran. Pflaster und diffiziele Kurven vereitelten höheres Tempo. Da mein angestammtes Rennrad über fünfhundert Kilometer entfernt in Dresden stand, kam heute erstmals das rein mechanische De Rosa zum Einsatz. Der kleine Italiener lief gut, ratterte und sprang aber wie vom Vorschlaghammer getrieben auf dem Knüppelpflaster der Flanderstraße. Anstelle von acht Atü im Reifen hätten es auch sechs getan. Trotz der Verschiedenheit der Straßenoberfläche, trotz grober Pflastersteine und trotz kreuzgefährlicher Kurven, blieb das Rudel bis auf wenige, die den Anschluß verloren hatten, geschlossen. Und so ballte sich alles zusammen, als es zum vierundzwanzigsten Mal vorbei an der wuchtigen Porta Nigra wieder auf die Simeonstraße ging. Auf der breiten, geschliffenen Zielgeraden entspann sich in den letzten hundert Metern ein harter Positionskampf. Vorbeck zog den Endspurt an. Als es in die entscheidenden, alles entscheidenden Meter ging, schoß Osnabrücks Donner um eine Radlänge an mir vorbei. Im ZIEL hatte Vorbeck die Nase vorn. Verdient! Er war fast das ganze Rennen mit mir im Windschatten vorneweg gefahren. Mit zehntausend Trainingskilometern im laufenden Jahr sowie „Rund um Köln“ vor einer Woche in den Beinen, hatte der alte Hase zudem eine erstklassige Vorbelastung.
v.o.n.u.:
Porta Nigra
Hauptmarkt
Zielankunft
Ehrung
Peanut i.d. Porta Nigra
Trophäen
Finale
 
Gleich nach dem Rennen wurden auf dem Hauptmarkt unter der gotischen Kirche St. Gangolf die Sieger geehrt. Der Erste durfte einen Paris-Roubaix nachempfundenen Siegerpokal mit einem Pflasterstein aus der Trierer Fußgängerzone emporheben. Dazu bekamen alle Drei auf dem Treppchen eingebrannte Medaillen aus Holz in Tropfenform und eine Flasche Rieslingsekt aus der Trierer Kelterei Schloß Wachenheim. So stand ich stumm da, fast niedergedrückt von der Höhe des Podiums, den Ansagen des Moderators, Zuschauern in rauhen Mengen davor, der riesigen Leinwand mit der Nahaufnahme dahinter, der Größe dieses Erlebnisses. Alles in mir spielte verrückt! Im Anschluß haben Peanut und ich die tausendjährige römische Porta Nigra erklommen und deren dicke Mauern bis hinauf ins dritte Obergeschoß erkundet. Das „Schwarze Tor“ stand wie ein Sinnbild der letzten Tage. Der Eremit Simeon bewahrte es dereinst vor Raubbau und Zerstörung. Zu guter Letzt verfolgten wir das Rennen der Kontinental-Teams und Elite-Amateure über sechzig Kilometer. Zehn Runden vor Schluß, als wir schon gemütlich im Auto saßen, ging schwerer Regen über Trier danieder. Es kam zu Stürzen. Im Endspurt triumphierte Colin Heiderscheid, ein bulliger Profi aus Luxemburg.
 
 
Danke von ganzem Herzen
RV Schwalbe Trier für den schönen Tag
Meine Peanut, dem besten Mensch der Welt
Meine Mutter und meinem Vater, die bestimmt zugesehen haben
 
 
Vitus, 30. Mai 2022; Bilder: Peanut, Vitus, Holger Radifo
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: überwiegend bewölkt, 12ºC, schwache Brise aus Nordnordwest (15 km/h)
Typ: Rundstreckenrennen
Länge: 24 km
Zuschauer: mehrere Tausend
 
Am Start: 170 (Veranstalterangabe)
Im Ziel: ca. 80 (CT+Elite-Amateure: 20, Amateure: 12, Masters 2+3: 17 Masters 4: 9, U19: 3, U17:5, Hobby: unbekannt) (Überrundete mußten das Rennen verlassen)
 
Masters 4
Meldungen:
11
Am Start:
9
Im Ziel: 9
1. Dieter Vorbeck (RC Adler Köln 1921) 41:02
2. Michael Donner (RRG Osnabrück)
3. Mario Voland (Dresdner SC 1898)
4. Martin Rommellfanger (RV Schwalbe Trier 1932)
5. Hans-Joachim Loth (RV Blitz Spich)
6. Andreas Marx (RV Schwalbe Trier 1932)
 
Ergebnisse
Rad-net
 
Das Video zum Rennen
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