112. BOSTON-MARATHON, 21. April 2008
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AUFBAUKÄMPFE
Silvesterlauf Frankfurt (10 km), 30.12.07
Mörfelden-Halbmarathon, 10.2.08
Frankfurter City-Halbmarathon, 2.3.08
Brechener Halbmarathon, 29.3.08
STRECKE ¤ VORBEREITUNG ¤ MARATHON ¤ STATISTIK ¤ BILDER
Cheruiyot neuer Rekordsieger in Boston
 
 
Der Boston-Marathon ist der früheste existierende Marathonlauf der Welt. Seine Premiere hatte er ein Jahr nach den ersten Olympischen Spielen der neuen Zeitrechnung in Athen, 1887. Damals stellten sich 15 der Tortur, zuletzt waren es immer 25
 000. Frauen sind seit 1972 zugelassen. Das Rennen findet immer am dritten Montag im April statt, dem „Patriot´s Day“, Tag der Patrioten. Dieser erinnert an die ersten Gefechte des Unabhängigkeitskrieges 1775 in Concord und Lexington, in dem Amerika die Herrschaft Britanniens abschüttelten. Boston ist an diesem Tag in Hochstimmung. Viele fahren zur nachgestellten Schlacht in Concord, gehen ins Baseballstadion der Red Socks, oder jubeln den Marathonläufern an ihrer 42 Kilometer langen Strecke zu. Bei seiner 110. Austragung wurde 2006 in Boston das Kapitel „World Marathon Majors“ aufgeschlagen. Damit ist Boston neben London, Berlin, Chicago und New York eins der fünf Monumente des Marathons, und der erste Major im Jahr. Wegen seiner vielen Gefälle und Anstiege - allen voran der sagenumwobene „Heartbreak Hill“ - gilt Boston als einer der schwierigsten Marathons der Welt. Zum speziellen Gelände kommt die Wetterlage. Im April kann es sehr warm, aber auch klirrend kalt sein, und dazu extrem pusten. Sogar aus heiterem Himmel aufziehende Blizzards traten schon auf. Fast immer weht der Wind von Osten übers Meer kommend als „Headwind“ (Gegenwind). Boston ist auch der Elitärste unter den Großen Fünf. Nur 25 000 Starter läßt die Boston Athletic Association zu. Nur klassische Marathonläufer! Und kein Sponsor verhunzt den Namen! Zu gewinnen gab es auch etwas: Der Sieger konnte 150 000 Dollar mit nach Hause nehmen.
 
Sieben Monate vorm Kampf (am 9. Oktober) waren Marathona Peanut und ich über die deutsche Reiseagentur „Interair“ in den erlauchten Kreis der Teilnehmer eingetreten. Günstig war eine Teilnahme in Boston nicht! Für Flug und Unterkunft gingen pro Kopf 1400 Euro drauf. Für eine Startnummer mit erfüllter Zeitnorm waren 108 Euro hinzublättern (ich qualifizierte mich durch 3:13 Std. in Berlin im August), ohne erfüllter Norm kostete sie 158 Euro. Dazu kam noch die Verpflegung usw. usf... Nach BERLIN und LONDON sollte der Lauf in Neuengland unser dritter in der Königsklasse werden. Zum erstenmal im Leben waren wir auch als Sportler in Übersee zu Gast.
 
.:: DIE STRECKE ::.
BOSTON. Schon der Name ist ein Mythos. Die legendäre Achterbahn vom Wald in Hopkinton durch die Wallawallahügel von Massachusetts zum Atlantik beginnt am Ehrenmal „Marching Doughboy“. Von Hopkinton führt eine Überlandstraße entlang alter Indianer- und Siedlerpfade durch sieben Ortschaften im ländlichen Hinterland von Boston schnurstracks nach Osten. Nach einem Rauf und Runter über Ashland, Framingham, Natick und Wellesley drohen im fortgeschrittenen Stadium die sieben Hügel von Newton mit dem Schrecken „Heartbreak Hill“ zum Schluß. Das Trügerische an diesem Kanten ist, daß er anfängt, wo man sich schon oben wähnt. Und vom Gipfel sind es noch acht Kilometer bis in den 75 Meter tiefer liegenden Zielort! Weiter geht es über Brookline ins Häusermeer von Boston, wo es unter den Wolkenkratzern des Copley Square zum Showdown kommt. Bis zum Ziel sinkt die Strecke tendenziell leicht ab, der Gesamtanstieg beträgt 159, das Gefälle 282 Meter. Auf 42 Kilometer verteilt sind das mehr als Meter pro Kilometer. Da nur ein Meter erlaubt ist und die Entfernung zwischen Start und Ziel 91 Prozent der Renndistanz beträgt, ist Boston nicht als Weltrekordkurs anerkannt. Zudem hat auf Punkt-zu-Punkt-Strecken der Wind einen erheblichen Einfluß. So kann „Tailwind“ (Rückenwind) unerlaubte Hilfe leisten. Eine halbe Million Schlachtenbummler stehen jedes Jahr hinter den Kämpfern und schreien sie bedingungslos und hauteng ins Ziel. Amtierender Streckenrekordler war Kenias Robert Cheruiyot mit 2:07:14 Stunden aus dem Jahre 2006.
 
Interaktive Strecken-Skizze
Boston Course Map
Von Hopkinton nach Boston in 4:30 Minuten
Real Video Course Tour
GPS-Strecke
GPSies
 
.:: DIE VORBEREITUNG ::.
Den Grundlagenbereich gestalteten wir nach den Vorgaben der Boston Athletic Association. Während ich nach dem „16 Week Veteran Training Program“ übte, das bei sechs Trainingstagen für 60 bis 70 Meilen die Woche (95 bis 115 Kilometer) ausgelegt war, bereitete sich Peanut nach dem „16 Week Rookie Training Program“ mit 40 bis 60 Wochenmeilen (65 bis 105 Kilometer) vor. Die einzelnen Wochen setzten sich aus folgenden Übungseinheiten zusammen:
 
1. Rest Days: ohne Erholung keine Anpassung
2. Interval Workouts: mit Abschnitten von 800 bis 3000 Metern im 5-Kilometer-Renntempo
3. Distance Runs: typische Dauerläufe in mittlerer Geschwindigkeit
4. Medium-Long Runs: 30 Sekunden langsamer als Marathon-Renntempo
5. Marathon Tempo Running: Läufe nach Gefühl im Bereich von +/- 10 Sekunden des angestrebten Renntempos, und
6. Long Runs: das wichtigste Rädchen im großen Getriebe mit Teilstücken im Marathontempo
 
Ab Woche 5 erfolgte ein Umstieg auf die Trainingspläne von Peter Greif.
 
 
Nachfolgend die 16 WOCHEN vom 30. Dezember 2007 bis 21. April 2008 in Kurzfaßung:
 
 
1. Wo. (100 km): Auf das Desaster im Berlin-Marathon im letzten Herbst folgte der Sturzflug. Wochenlang hatte ich das Training schleifen lassen, gegessen und getrunken was mir schmeckte, und war in ein schwarzes Loch gefallen. Zum Wiedereinstieg ging es gleich in die Vollen...
 
.:: DER 1. AUFBAUKAMPF ::.
 
29. MAINOVA SILVESTERLAUF FRANKFURT, 30.12.07
(10 km)
Dominanz durch Kenia
 
Frankfurts erster Volkslauf brach mit einer alten Tradition. Weil in der Stadt an Silvester (ein Montag) vielerorts gearbeitet wurde und der Ausrichter Absagen befürchtete, wurde der Lauf erstmals nicht zur Jahreswende ausgetragen, sondern auf Sonntag vorgezogen. Unverändert blieb indes die Strecke: Vom Waldstadion aus ging es auf einen flachen Kurs im Stadtwald, über zwei Brücken hinweg, und nach einer Umrundung des Golfplatzes Niederrad über einen kleinen „Heartbreak Hill“ am Kilometer 7 auf der Flughafenstraße zurück zur Wintersporthalle am Waldstadion.
 
Bei naßkalter Witterung und auf teils vereisten, teils auftauenden Waldschneisen wurden die 10 Kilometer dabei erneut zu einem Beutezeug der leichten Läufer aus Ostafrika. Die knirpsenhaften Kenianer Anderson Chirchir und Milka Jerotich, die im Frühjahr schon beim Frankfurter Halbmarathon triumphierten, gewannen sowohl bei den Männern in 30:43 wie bei den Frauen mit 36:38 Minuten, wobei sich Jerotich den Sieg in einem „Toten Rennen“ mit Landsfrau Nguria teilte. Über 2200 Läufer hatten den widrigen Bedingungen die Stirn geboten.
 
Nach Berlin und der anfänglichen Euphorie, in Boston alles wieder gut zu machen, war der Tatendrang in der Folge in den Keller geschlittert. Ich hatte daran gedacht, alles hinzuschmeißen. Der Silvesterlauf sollte so was wie ein Schicksalslauf werden, ob wir der Rennerei überhaupt noch verbunden waren. Während Peanut sich gegenüber vergangebem Jahr um mehr als zwei Minuten verbesserte, gelang mir - unter etwas Morphium - immerhin eine Steigerung um 27 Sekunden. Die mäßigen Siegerzeiten relativieren die eigenen Ergebnisse. Am „echten“ Silvestertag haben wir uns zum Weitermachen entschlossen und für den Frankfurter Halbmarathon gemeldet. Damit hatte die Vorbereitung auf Boston begonnen.
 
 

ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
viele Wolken, etwas Regen, bis 4ºC, schwacher Wind
 
Teilnehmer gemeldet:
2254 (10 km, 4 km, 2 km, NW)
Teilnehmer im Ziel:
2045
10-km-Läufer im Ziel:
1868 (M: 1338 / W: 530)
 
Männer
1. Anderson Chirchir (Kenia) 0:30:43
2. Heiko Baier (Fulda) 0:30:56
3. Philipp Ratz (Friedberg-Fauerbach) 0:31:19
167. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 0:41:20 (18. M45)
 
Frauen
1. Milka Jerotich (Kenia) 0:36:38
1. Regina Nguria (Kenia) 0:36:38
3. Jenny Schulz (Frankfurt) 0:38:51
177. Peanut (Frankfurt) 0:54:36 (28. W45)
 
Ergebnisse

Championchip
Der Kampf in einer BILDERTAFEL - anklicken:
2. Wo. (104 km): Während man hierzulande plötzlich von „Überfällen jugendlicher Ausländer auf Deutsche“ erfuhr, es zu Angriffen in Frankfurter U-Bahnen kam, und sogar Koch und Kanzlerin von Fremden angefeindet wurden, wird nun auch der Läufer immer mehr bedrängt. Neben Radfahrern, Skatern, Rollstuhlfahrern, Gassigehern und Kampfmuttis machten kriminelle Jugendbanden und Drogendealer die Ufer am Fluß Nidda unsicher. Dazu konnten wir nach dem Dienst weitgehend nur im Dunkeln trainieren. Vor allem Peanut mußte in ihrer Freizeit manchen Kilometer unter Straßenlaternen absolvieren. Die zweite Woche war eine klassische Grundlagenwoche:
 
Mo.: 40 Min. Kraft- und Koordinationsübungen
Di.: Tempowechsellauf mit 1 Meile - 2 Meilen - 1 Meile im 10-km-Renntempo
Mi.: 15 km lockerer Dauerlauf
Do.: Tempodauerlauf mit 2 x 15 Min. im Marathontempo
Fr.: Ruhetag
Sa.: 31 km langer Dauerlauf
So.: 24 km Crescendo
 
3. Wo. (102 km): 14 Wochen vorm Start gingen die Veranstalter mit ihrem Netzauftritt auf Sendung. Die Bostonstarter in spe fanden Trainingspläne und Treffpunkte für die Laufkultur Bostons - die übrige Menschheit die Notiz, daß sich der aufgeflogene Radstar Lance Armstrong beim Boston-Marathon eingeschrieben hat... Für mich selbst stand das erste Bahntraining an: 3 x (800 m-600 m-400 m-200 m). Mit Trabpausen hatten sich 22 Bahnen auf Aschenbelag ergeben. Zu viel fürs Sprunggelenk: Die Fliehkraft in den Kurven hatte sich im stärker belasteten Innenknöchel gleich wieder als stumpfer Gelenkschmerz bemerkbar gemacht. Eine alte Kinderkrankheit...
 
4. Wo. (104 km): Zur Simulation von Boston gehören Hügelläufe. Mit natürlichen Anhöhen ist es in Frankfurt nicht weit her. Wenn man keine hat, macht man sich eben welche! Wie die Müllhalde in Heddernheim. Auf die 25 Meter hohe Deponie mit den Altlasten des Rüstungsbetriebes Vereinigte Deutsche Metallwerke wurde ein 250 Meter langes Asphaltband gelegt. Mit 14 Wiederholungen hat man 350 Höhenmeter. Ein Müllberg bedeckt von einer Grasschicht war unser Heartbreak-Hill-Ersatz. Ferner hätte ich mir fast den Tod geholt: Am Mittwoch stand ein Sonder-Einsatz-Kommando an unserem Wohnhaus, Blaulicht flackerte, Beamte hatten es evakuiert und umstellt: Während ich trainierte, hatten sich drei bewaffnete Drogenhändler mit einer Geisel in einem Stockwerk verschanzt. Das SEK ließ die Bewohner vor abgeriegelter Tür warten. Nach einer Dreiviertelstunde in der kalten Januarnacht durfte ich - spärlich bekleidet und bis auf die Knochen durchnässt und durchgefroren - endlich unter die warme Dusche.
 
5. Wo. (120 km): In dieser Woche reihte sich Schrecken an Schrecken: Erst hatte ich meine Grundschnelligkeit verloren und kam über die 1000 Meter nicht mehr unter die Vier-Minuten-Marke. (Als Konsequenz beschloß ich den Umstieg auf den expliziten „T6Z“ von Greif mit sechs Wochentrainingstagen; Peanut übt nach T4Z.) Dann bliesen die Zeitgenossen mit der Lust am Töten, die selbsternannten „Jäger“, wieder zur Treibjagd in unserem Trainingsgelände - Mörder! Und schließlich eröffneten mir nach monatelanger Hinhaltetaktik der Personalchef und mein Abteilungsleiter am 31. Januar mit schönen Worten, daß „mein Arbeitsgebiet, die Datenverarbeitung, durch eine Offshoring-Maßnahme ins kostengünstigere Ausland verlagert wird“. Der Rausschmiß von hunderten Angestellten im Zuge der Übernahme durch eine indische Fremdfirma schien sie nicht zu kratzen. Ab August durft ich mein Leben neu aufstellen...
 
6. Wo. (85 km): Mit der neuen Freiheit war alles anders. Statt auf dem Weg zum Boston-Marathon war ich in meinen Gedanken schon ganz woanders. Vom Stress in Frankfurt... hinein in die totale Freiheit der einsamen Wälder eines Nordlands oder sonstwo auf der Welt..... Zudem erlitt ich einen Hexenschuß, der jedes Training hemmte. Seelisch und körperlich im Nichts, hing „Boston ´08“ am seidenen Faden. Und am Sonntag war - als wäre nichts geschehen - ein weiterer Wettkampf zu bestehen!
 
.:: DER 2. AUFBAUKAMPF ::.
 
31. HALBMARATHON DER SKV MÖRFELDEN, 10.2.08
Das Pfeifen im Walde
 
Im Grunde war die Fortührung des Unternehmens Boston der Macht des Zufalls zu danken. Mangels Taxi in Waldfelden hatten wir uns vom Bahnhof zu Fuß auf den Weg durch die Schlafstadt im Süden Frankfurts aufgemacht. Dort gerieten wir erst mal gehörig auf den Holzweg, und waren zwischen allerlei Anti-Flughafen-Propaganda - wie „Nein zum Flughafenausbau - Ja zum Nachtflugverbot“ - jedoch keinem Hinweis auf eine Laufveranstaltung, prompt in die falsche Richtung gegangen. Es war eine sonntags geöffnete Bäckerei, die uns ein privates Taxi organisierte und uns so den Start ermöglichte. Nur durch diesen Glücksfall kamen wir nach einem strammen Marsch mit schweren Rucksäcken in letzter Sekunde vor der Starkenburg-Kampfbahn an.
 
Bei traumhaftem Winterwetter waren rund 500 Akteure erschienen. Und zwar eine hochwertige Schar aus Läufern und Dreikämpfern aus Süddeutschland sowie einige Waldkobolde aus dem Taunus. Um 9.30 Uhr erfolgte der Start. Nach einer halben Stadionrunde quetschte sich die Strecke durch ein schmales Eisentor in den Wald und voraus lag eine Doppelschleife durch den von Landstraßen, der Startbahn West und den Städten Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt eingekesselten Treburer Unterwald. Zweimal zehn Kilometer auf flach ins Buschwerk hineingefrästen Reißbrettschneisen ins Nichts. Neben einigen Ecken und Haken war es besonders eine enge 180-Grad-Kehre, die Rekorde vermasselte. All das war garniert vom markerschütternden Pfeifen und Donnern der ein- und ausgehenden Flieger des Frankfurter Flughafens.
 
Runde eins hatte ich hinter zwei Blauhemden des TV Trebur zurückgelegt, Runde zwei zusammen mit einem hochgewachsenen Triathelten vom TCEC Mainz. Den ersten mußte ich mich beugen, dem Eisenmann - immerhin Hawaii-Qualifikant 2007! - konnte ich um fünfzig Sekunden abhängen. Eine schrecklich unauffällige Sache, und wäre da nicht die auffällige Frage eines Spaßvogels neben mir gewesen, ob das Gebilde bei Kilometer 15 „eine Wasserstelle oder eine Fata Morgana“ sei, wäre ich fast noch Bestzeit gerannt. So blieb neben dem Lärm der Jumbos und vielen kahlen Baumriesen ein lausiger 65. Platz mit einer Zeit von 88 Minuten. Die 21 Kilometer bin ich vollständig ohne Trinken durchgelaufen. Eine halbe Stunde nach mir beendete Peanut ihre erste Prüfung.
 
Aber hätte uns das Taxi nicht zum Start gebracht, hätten wir Boston begraben!
 
 

ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
sonnig, bis 4ºC, leichter Luftzug
 
Halbmarathonläufer im Ziel:
497 (M: 405 / W: 92)
 
Männer
1. Timo Grub (Hergershausen) 1:13:48
2. Jürgen Zehnder (Pfungstadt) 1:13:53
3. Jürgen Reiser (Odenwald) 1:15:02
... Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 1:28:52 (11. M45, 65. Gesamt)
 
Frauen
1. Christine Blank (Kriftel) 1:23:49
1. Claudia Hille (Klein-Ostheim) 1:24:30
3. Tanja Zehnder (Pfungstadt) 1:30:00
... Peanut (Frankfurt) 1:59:12 (14. W45, 419. Gesamt)
 
Ergebnisse

LG Mörfelden-Walldorf
Ein Lichtbild in einer BILDERTAFEL - anklicken:
7. Wo. (130 km): Zugunsten eines niedrigen Wettkampfgewichts verzichtete ich zehn Wochen lang auf Bier. Zehn Wochen mit wachem Geist sind wie zehn Wochen unter Sonne. Aber ich mußte abspecken. Zudem übte ich anstelle eines Tempowechsellaufs einmal die Woche Bergsprints. Nachdem eine Hochdeponie in Frankfurt-Heddernheim jüngst von mir für Hügelläufe entdeckt wurde, quälten sich diese Woche bereits zwei andere, unbekannte Bergziegen den Hang hinauf. Und: Nur sechs Tage nach dem Halben von Mörfelden bin ich meine 40-Kilometer-Runde bei leichtem Frost und ohne Verpflegung in 3:23 Stunden gelaufen: eine völlig unerwartete Leistungsexplosion tief im Februar!
 
8. Wo. (141 km): Ein härterer 10-Kilometer-Tempodauerlauf in 4:20 Min. pro Kilometer, ein quälerisches Hügeltraining mit zwölf Wiederholungen à 250 Meter, ein autistischer 10-Kilometer-Tempoturn mit 17 Quarters (400 Meter) in 1:39 Min. und je 200 Meter Trabpause auf tiefer Asche, sowie ein einsamer 40-Kilometer-Dauerlauf in 5:29 Min. pro Kilometer: das waren die Kernübungen der achten Woche. Peter Greif legte blumige Worte auf die gemarterten Glieder: „Die Anforderungen steigen, die alten Bestzeiten zittern jetzt schon um ihr Leben, und bald schon wirst Du ein Läufer von einem ganz anderen Niveau sein!
 
9. Wo. (89 km): Die nächste Challenge:
 
.:: DER 3. AUFBAUKAMPF ::.
 
6. FRANKFURTER CITY-HALBMARATHON, 2.3.08
Mit Volldampf ins Verderben
 
PIN-Post: 7000, Ruhrkohle: 3600, Siemens: 3200 - Die Liste der jüngsten Massenentlassungen war lang. Ironisch, daß mein Noch-Brotgeber ausgerechnet in den schweren Zeiten mit Zuverdiensten winkte. Dessen Welle an Kündigungen hatte eine Welle geschlossener Krankmeldungen ausgelöst - die zu Lieferschwierigkeiten und saftigen Geldstrafen durch die Kunden führte. Der Druck auf das verbliebene Personal war gewaltig. Ohne viele Überstunden ging es nicht. Bei Ausschöpfung der zulässigen Arbeitszeit und Ableistung eines sechsten Wochenarbeitstages wurden doppelte Gehälter gezahlt. Unter der hohen Arbeitsbelastung litt das Rennen. Aber ich konnte noch mal Geld machen - zum Aufbruch in ein neues Leben...
 
Nachdem Orkan „Emma“ hierzulande fünf Todesopfer forderte und am Frankfurter Flughafen 190 Flüge ausfielen, fegte am Sonntag Emmas Nachhut übers Land. Ski-Weltcups und andere Freiluftveranstaltungen konnten nicht stattfinden; Hessenforst warnte dringend, den Wald zu betreten; die Straßen waren von Ästen übersät; mancherorts flogen auch abgerissene Fenster durch die Luft... Kein Erbarmen unterdes für die Halbmarathonis. Dreitausend trotzten einem Mischmasch aus Sonne, Sturm und Regen. Dreihundert schon Registrierte erwiesen sich als Memmen und ließen lieber 17 Euro Startgeld verfallen, als sich aufzustellen. Von den nördlichen Stadtteilen Heddernheim, Niederursel und Ginnheim ging es wie gewohnt durchs West- und Nordend in die Innenstadt und nach einer Runde am Main mit neunzig Höhenmetern zurück zum Start in der Nordweststadt, auch „Nordi“ genannt. Um das Feld für eine Baustelle vor der Hauptwache auszudünnen, wurden Blockstarts durchgeführt. Das kleine Rudel der Elite mit Bestzeit unter 1:17 Stunden eröffnete 9.00 Uhr das Rennen. 9.02 folgte der erste Schub des Hauptrennens. Der frühere Marathonmeister Kurt Stenzel war als Tempomacher für 4:00 Min. pro Kilometer eingesetzt, was Halbmarathon in 1:24 Stunden entspricht. Die Berge des Taunus und die „4:00“ auf Stenzels Rücken vor Augen, waren für mich der vierte Kilometer und der Niddapark windhundsflink überquert. Schade nur, daß ich nach der harten Arbeitswoche abrupt einbrach. Zurück aus dem roten Bereich, konnte ich in der Innenstadt und am Main entlang einige Leute stellen. Schmerzen in der Brust vereitelten bei der Zielannäherung über die Stadtautobahn eine bessere Zeit. Das Beste war für mich die Platzierung als 160. unter 3000 Angetretenen. Peanut hatte tags zuvor bei einem Familienabend Energie verschenkt und mußte sich mit einer Zeit unter zwei Stunden zufrieden geben.
 
Sieger Hillary Kemboy brauchte für die 21 Kilometer 69 Minuten und lag damit sechs Minuten (!) über dem Streckenrekord. Auf Platz zwei rangierte der Marathonmeister von Kroatien. Wenig ruhmreich auch die Siegerzeit der Frauen: Kenias Nguria, schon Gewinnerin des Frankfurter Silvesterlaufs, durfte nach 81 Minuten das obere Treppchen erklimmen. „Der Sturm hat die Elite etwas irritiert“, vermeldete der Sprecher im Ziel. Ein Zehntel des Feldes gab auf. Lohn der Mühe waren Urkunden zum Selberdrucken.
 
 

ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
Sonne, Wolken und Regen, bis 14ºC, teils Sturmböen
 
Gemeldet:
3300
Am Start:
3000
Im Ziel:
2742 (M: 2135 / W: 607)
 
Männer
1. Hillary Kemboy (Kenia) 1:09:39
2. Slavko Petrovic (Zagreb, Kroatien) 1:10:56
3. Marco Schwab (Marburg) 1:13:54
160. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 1:28:06 (19. M45)
 
Frauen
1. Regina Nguria (Kenia) 1:21:01
2. Kerstin Straub (Hanau-Rodenbach) 1:24:21
3. Andrea Meuser (Friedberg-Fauerbach) 1:25:55
227. Peanut (Frankfurt) 1:58:05 (36. W45)
 
Ergebnisse

Championchip
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10. Wo. (125 km): Der Halbmarathon hatte mir eine Wadenverhärtung und Schmerzen im Fußgewölbe und in den Achillessehnen beschert. Hinzu kamen neue Probleme in den Lendenwirbeln. Ich konnte die gesamte zehnte Woche nur unter Schmerzen laufen! Jämmerlich auch die Auskünfte zum Marathon, die von Amiland nach Deutschland durchdrangen. Nämlich gar keine. Kein Rundschreiben, keine Trainingstipps, keine Aktualisierung im Netz, absolut nichts kam aus der Neuen Welt. Ich hatte das Gefühl, auf dem Weg nach Boston im Dunkeln zu tappen, als hätte ich die ganze Zeit für einen x-beliebigen Lauf geübt. Könnte Ende April im Grunde auch bei einem im finsteren Wald antreten. Es wäre der gleiche Aufbau. Nur mit dem Unterschied, dann nicht um 1400 Euro ärmer zu sein.
 
11. Wo. (135 km): Tief durchatmen in Frankfurt: Anfang März sendete Boston die ersten Signale. Zunächst einen Netzbrief der Boston Athletic Association: „This is to notify you that your entry into the 112th Boston Marathon on Monday, April 21, 2008 has been accepted“. Und wenig später, am 14. März, traf die Acceptance Card aus Hopkinton auch per Luftpost auf Papier ein. Damit waren Peanut und ich 2 von 151 glücklichen Deutschen und 2 von 24
 786 insgesamt (14 544 Männer und 10 242 Frauen), die in Hopkinton das Rennen aufnehmen würden. - Am Mittwoch hatten wir extra Urlaub genommen, um morgens auf der Bahn unbehindert 5 x 2000 Meter durchzuziehen. Leider blieben die Stoppuhren weit nach den Vorgaben stehen. Aber auf Orkan „Emma“ war Sturmfront „Kirsten“ gefolgt, die uns mit Wind und Regen fast von der Asche gefegt hätte.
 
12. Wo. (131 km):Du suchst die Gründe deiner Muskelprobleme an der falschen Stelle. Niemals macht ein HM 14 Tage lang Probleme, der ist spätestens nach 5 Tagen verdaut. Aber 40-km-Läufe können im Gegensatz zu 35-ern erhebliche Schwierigkeiten bereiten.“ Derart vom Trainer rasiert, war der Monat vorm Marathon schwierig zu planen: Seit dem Frankfurter Halbmarathon hemmten mich Wadenkrämpfe im Vorankommen. Und ausgerechnet jetzt mußte ein Aufbaurennen bestritten werden. Nur wann? Vier Wochen vor Boston (mit besagten Muskelproblemen und der Gefahr, daß alles böse endet) - oder drei Wochen vorm Marathon (mit der Gefahr, sich nicht völlig zu erholen)? Die Vorgaben lauteten: „22.03.: 35 km, 29.03.: HM, 05.04.: 35 km, 12.04.: 35 km, 21.04.: Marathon“ - Gute alte Pferdesalbe und die Heilkraft aus dem eigenen Glauben richteten mich für unser kleines Trainingslager an Ostara auf. Es sollte unter schwierigen Umständen stattfinden. Am Freitag bei Kälte auf die 35-Kilometer-Runde begeben, setzten nach wenigen Kilometern Wind, Regen, Schnee und Graupel mit vereinzelten Gewittern ein. Während ich die Unbilden nach drei Stunden hinter mir hatte, dauerten sie für Peanut über vier Stunden. Selten habe ich so mit meinem Mädel mitgelitten!
 
13. Wo. (90 km): Das letzte Vorbereitungsrennen stand an:
 
.:: DER 4. AUFBAUKAMPF ::.
 
3. BRECHENER VOLKS- UND STRAßENLAUF, 29.3.08
(Halbmarathon)
Road to Nowhere
 
Grundverschieden zum Spuk der letzten Wochen (am Dienstag hatte mir die Personalallmacht die Streichung meiner Stelle mitgeteilt: die Krönung des negativen Mists), sollte die Fahrt nach Brechen bei Limburg werden. Kein Erbrechen in Brechen. Stattdessen warteten in „Brachina“ - wie es die Kelten nannten - Sonnenglanz, frühlingsreine Luft, die nach frischem Blechkuchen duftende Emstalhalle und eine verheißende Strecke! Keine Sekunde kam mir die Pest von Frankfurt in den Sinn, die mir die Luft zum Atmen nimmt. Alles war wie ausradiert und weggewischt. Statt Dunkelheit Licht in Brachina!
 
Direkt nach dem Oberbrechener Denkmalsplatz führte der Lauf über eine Brücke in den Goldenen Grund mit dem Emsbach. Im Tal ging es nun nach Nordwesten. Niederbrechen passiert, beschrieb der Weg einen weiten Bogen über die Autobahn Frankfurt-Köln und gelangte in Richtung Südosten - dem Wörsbach folgend - durch Werschau zur Wende in Dauborn. Nach einem Geschlängel durch Eufingen ging es auf demselben Weg - samt einem Abstecher nach Niederselters - zurück nach Oberbrechen. Da die Strecke durch Vermesser des DLV amtlich kilometriert wurde, durfte sich Brechen „Straßenlauf“ nennen und war bestlistenfähig.
 
Insgesamt hatten sich 585 Läufer - darunter 237 Halbmarathonis - versammelt, als zur ungewohnten Sonnabendnachmittagsstunde von 15 Uhr 27 der Böller fiel. (Um die „Besonderheit des Augenblicks“ auszukosten, hatte der Starter den Schuß zwei Minuten verzögert.) Über den kerzengeraden Asphalt im Goldenen Grund und zweihundert Meter Rindenmulch, war ich nach 19:53 Min. zum 5. Kilometer vorgedrungen. Anfangs allein, wurde ich nun vom ausgezehrten Äthiopier Fikreyesus Tesfe eingeholt und durch den Westwind bis nach Dauborn pilotiert. In meinem Nacken rannte die Triathletin Jacobi. Den 10. Kilometer erreichten wir in für mich wiederum neuer Bestzeit von 40:08 Std. Derweil Tesfe wegplatzte und der weibliche Floh in meinem Rücken dem Sieg bei den Frauen entgegenstrebte, durchbrach ich selbst am 15. Kilometer erstmals die Schallgrenze von 1 Stunde! 17 Kilometer verliefen flach, doch dann kam das Finale... Die 200 Höhenmeter verteilt über einige Kuppen in die Wasserstadt Selters und wieder zurück waren eine prima Übung für den „Heartbreak Hill“. Damit richtete sich der Blick aufs große Ziel in 23 Tagen. Trotz Zurückhaltung im Schlußteil gelang mir eine deutliche Unterbietung des eigenen Bestwerts über die 21 Kilometer. Nach 1:25:25 eroberte ich den 2. Platz bei den Masters und den 12. Gesamt. - Peanut fand sich wegen einer ungenügenden Vorbereitung (ihr Vortag sah Dienst im Büro vor), sowie Fouls im Rennen (der Rempler eines Affen hatte sie in der Konzentration gestört) im Hinterfeld wieder. - Triathlonprofi Rossmann düpierte den Lokalhelden Le Mercier um fünf Minuten. Bei den Frauen bog die konkurrenzlose Jacobi als Erste auf dem Denkmalsplatz ein.
 
Neben einer Wiederbegegnung mit dem Lahnländer Lehr, der sich nicht entsinnen konnte, zwei Jahre zuvor den Toronto-Marathon gerannt zu sein (sage einer, nur Marathon leert den Kopf), wartete auch noch eine Kuchenbar vom Feinsten! Und natürlich die Siegerehrungen, die wir aber wegen dem letzten Zug verpaßten. Angesichts der vorgerückten Stunde händigten mir die Verantwortlichen den Sachpreis - ein
Sponsorenpaket von Ultra Sports - jedoch vorab aus. Die Urkunde wurde nachgesendet. Dank und Gruß an die LG Brechen für diese äußerst entspannte Geschichte!
 
 

ZAHLEN UND ZEITEN
 
Wetter:
sonnig, bis 13ºC, mäßiger bis frischer und in Böen strammer Wind
 
Teilnehmer am Start:
585 (HM, 10 km, Schüler, NW)
Teilnehmer im Ziel:
521
Halbmarathonläufer im Ziel : 237 (M: 189 / W: 48)
 
Männer
1. Benjamin Rossmann (Mengerskirchen) 1:12:57
2. Eric Le Mercier (Brechen) 1:18:05
3. Roland Ott (Mengerskirchen) 1:18:46
11. Kampfläufer Vitus (Frankfurt) 1:25:25 (PB, 12. Gesamt, 2. M45)
 
Frauen
1. Birgit Jacobi (Limburg) 1:25:05
2. Sandra Holly (Mengerskirchen) 1:31:07
3. Miriam Kanter (Karlsruhe) 1:39:04
29. Peanut (Frankfurt) 1:56:44 (182. Gesamt, 7. W45)
 
Ergebnisse

LG Brechen
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14. Wo. (124 km): Einmal durchschnaufen. Vor der Reise nach Amerika zum Marathon gaben die Trainingspläne aus Boston den Läufern zwei Tage frei. Statt Training stand an diesen Tagen Freizeit als Programmpunkt im Trainingsablaufplan. Nach dreizehn Wochen mit sechsmal Training in der Woche, drei Halbmarathons und einem 10-Kilometer-Wettkampf, setzte man in Boston also bewußt auf Regeneration. Nicht, daß man sich dabei gut fühlte. Im Gegenteil: Ich fühlte mich müde und verbraucht und fiel immer wieder in Gehpausen. Zudem schlug ein Bazillus durch. Neben anhaltenden Rückenschmerzen plagte mich nun auch noch eine Erkältung. So kurz vorm Marathon drohte alles zusammenzubrechen!
 
15. Wo. (102 km): Halskratzen, eine laufende Nase, Ohrensausen, Husten, Herzstolperer und anhaltendes Grippewetter: Alles, was war, schien in der ersten Wochenhälfte endgültig verloren. Doch dann kam die letzte straffe Übung mit 3 x 4000 m, und die schaffte ich sogar in schwerem Winterkostüm im Marathon-Renntempo.
 
16. Wo. (40 + 42,195 km = Gesamt 1764 km): Zu all den Wehwehchen gesellte sich nun auch noch ein Schmerz in der Plantarsehne, der sich aber immer nach fünf Kilometern weglief. Unterm Strich hatte ich in den vier Monaten für Boston knapp 1800 Kilometer abgerissen, davon 1350 in den zwölf direkten Wochen vorm Marathon. Mein Ruhepuls betrug 45 Schläge in der Minute. Damit war ich voll austrainiert. Peanut kam auf 1211 Kilometer - 150 mehr als bei ihrer Bestzeit von Berlin. Wir haben die Saltin-Diät gemacht und danach die Alte Welt verlassen.....
 
.:: DAS RENNEN ::.
 
112. BOSTON MARATHON, 21. April 2008
Freitag, 18. April
 
Nach einer ruhigen Luftreise vom Weltflughafen Frankfurt über den Atlantischen Ozean zum Ostküstenstaat Massachusetts war unser Kranich um 14.16 Eastern Standard Time auf dem Flughafen Logan International gelandet. Zum ersten Mal im Leben setzten wir unsere Füße auf den Boden der USA. Doch so leicht der Flug, so schwer die Einreise ins gelobte Land. Erst mußten die Sportler durchs biometrische Sicherheitssystem (Fingerabdrücke, Konterfei usw.). Und dann hatte auch noch ein Terrier mit „Protect American Agriculture“-Schild unsere mitgebrachten Haferflocken aufgespürt. Zum Glück hatte der Zöllner einen guten Tag. Denn statt 500 Dollar Penalty zu kassieren, ließ er uns einfach passieren... Am Nachmittag hatten wir im historischen „Boston Courtyard Tremont“ in der Innenstadt eingebucht, und uns in der einzigen Einkaufsmöglichkeit weit und breit - einem Krämerladen namens „7-Eleven“ - mit dem Mindesten an Junkfood eingedeckt. Die gesamte Downtown gab nichts Gehaltvolles her. Bier hingegen fand sich in einem sittenstreng verborgenen Spirituosenladen... Mit ein paar lockernden Kilometern zur Zielgerade Boylston Street nahmen wir so richtig Witterung für den Marathon auf.
 
Sonnabend, 19. April
 
Der Sonnabend bestand für uns in der Hauptsache aus dem Besuch der Marathon-Expo mit der Startnummernausgabe „Number Pick-up“ im blau-gelb geschmückten Hynes Convention Center, wo alle Fäden zusammenliefen. Dort herrschte Hochbetrieb. Die zahllosen Stände waren ausgesprochen feudal ausgestattet - aber von Läufern, den konsumhungrigen Amis und allerlei Schnäppchenjägern auch heillos übervölkert. Im Anschluß waren wir zur Informationsveranstaltung für die Gruppe interAir ins Sheraton-Hotel bestellt. Hier gab´s die letzten Ratschläge über den großen Tag. Was man allerdings gar nicht gebrauchen konnte, waren böse Neuigkeiten: Nichts war es mit der versprochenen Überfahrt im Charterbus des Reiseveranstalters. Ab 2008 war nur akkreditierten Bussen die Zufahrt gestattet! - Eine Trainingsstunde im Stadtpark beschloß den Sonnabend.
 
Sonntag, 20. April
 
Nach den Strapazen der Vortage hieß es für uns Beine hochlegen, Kopf frei kriegen und vor allem Kraft tanken für die kommende Aufgabe am Montag. Zudem ermittelten heute Amerikas Elitefrauen im „U.S. Womens Olympic Team Trial“ wenige Blocks von uns entfernt auf einem Rundenkurs ihre drei Starterinnen für Peking 2008. Derweil Deena Kastor das Olympiaausscheidungsrennen vor Magdalena Lewy-Boulet und Blake Russell gewann, stand für Peanut und mich nur ein Läufchen im Stadtpark an. Spätnachmittags haben wir uns im Hotelzimmer mit einem eingeschleusten Feldkocher deutsche Vollkornnudeln mit einem „Old World Style Ragú“ (Tomaten-Käse-Soße) aus dem 7-Eleven zubereitet. Die Fernsehnachrichten sagten für den Marathon leichten „Tailwind“ (Rückenwind) an. Die Temperaturen sollten fast ideal sein. Damit war uns eine große Sorge genommen. Wie an den Vortagen kam uns die Zeitverschiebung insofern zunutze, daß wir schon vor Einbruch der Dunkelheit müde wurden, und wir uns um acht nach Never, Neverland verabschiedeten...
Boston, Boylston Street (© BAA)
Montag, 21. April
 
Good Morning, Boston! Um 2.50 Uhr Ortszeit schreckte mich die Technik der heutigen Welt auf: Jemand im fernen Frankfurt hatte in den deutschen Morgenstunden eine SMS an Peanuts Mobiltelefon geschickt, die mit einem Klingelton in Boston landete. Während meine Freundin noch mal Schlaf fand, saß ich in der dritten Nachtstunde senkrecht im Bett. Da half auch nicht das Anbeten der „Holy Bible“ und „The Book Of Mormon“ im Schränkchen zur Linken. Halb fünf (sieben Stunden vorm Start!) habe ich mich aus dem Bett gequält. „100% Whole Wheat Bread“ (luftiges Weißbrot) mit Erdnußbutter, Banane und Honig war - Thank heaven for 7-Eleven - unser Frühstück Made in USA. Später nahm ich noch eine Gallone des zuckerhaltigen Getränks Vitargo, einen Riegel und in der letzten Stunde ein Gel zu mir. Energiezehrend gestaltete sich der Transport zum Startort. Boston verschwamm noch in dickstem Nebel, als im Morgentau eine Armada von zwanzigtausend Läufern um Mitnahme in einem der gelben US-Schulbusse buhlte, die sich ab sechs Uhr vom Boston Common auf Achse nach Hopkinton machten. Halb acht hatten wir zwei Plätze ergattert - und eine Stunde später brachte eine Baustelle den gelben Tross zum Stillstand. So daß der Busfahrer die Läufer zum Austreten mitten auf der Interstate-Autobahn aussteigen ließ. Fünfzig Minuten vorm Start war das Ortsschild „Entering Hopkinton“ passiert und der Parkplatz der Hopkinton High School erreicht. Um 9.15 Uhr betraten wir das unter freiem Himmel aufgeschlagene „Athletes´ Village“. Raus aus der Trainingsbekleidung, rein in die Rennbekleidung. Um 9.35 Uhr - zu der Zeit ließ Joan Benoit, erste Marathon-Olympiasiegerin von Los Angeles 1984, bereits die Frauenelite von der Leine - hatte ich meinen Kleiderbeutel am Laster für den Rücktransport abgeliefert. Und dann war noch der Kilometer auf der Grove Street hinab zur Main Street zu bewältigen: Im Trab seitlich vorbei am Tohuwabohu - und dabei immer mit einem suchenden Auge nach einem Gebüsch an einem Vorgarten im charmanten Dreizehntausend-Einwohnerstädtchen (ohne dabei von einem der Ranger erwischt zu werden)... Um 9.50 Uhr war ich vorgerückt zum Starthügel. Dahin, wo alles begann! Heute war „Patriot´s Day“. Ein Sprecher verlas die Namen der im Unabhängigkeitskrieg, in den Weltkriegen, in Afghanistan und im Irak gefallenen Kameraden aus Hopkinton. Die Nationalhymne wurde angestimmt. Mit dieser Totenehrung waren die 22 375 Angetretenen patriotisch eingeschworen. Zudem wehte der Geist Olympias über die amerikanische Provinz: Im Stadtpark loderte die olympische Fackel! Grund zu Sorge schuf indes der Himmel. Aus goldschimmernden Morgenstrahlen sollten unerbittliche Sonnenblitze werden. Schlimm erwischte es den eine halbe Stunde später startenden zweiten Block, in dem Peanut lief - zur Mittagszeit, als die Sonne richtig runterbrannte. Im Ziel hatten alle auf der rechten Körperhälfte einen Sonnenbrand. Der Wind wehte anfangs nur schwach, frischte aber mit der Annäherung ans Meer merklich auf. Zur Streckenversorgung: Genauso wie Boston weder eine gestrichelte Ideallinie oder Pacemaker hat, so mußten die Läufer mit einem Tütchen Kohlenhydratkonzentrat (Power-Gel) nach 17 Meilen als Wegzehrung auskommen. Im Übrigen war jede Meile eine Station mit Mineralgetränken (Gatorade Endurance Formula) und Wasser (Poland Spring) aufgebaut. Sonst nichts! Doch die Anwohner reichten nicht nur Apfelsinen- und Bananenstücken, sie erfrischten die Läufer auch mit Wasser aus Gartenschläuchen. Damit hinein ins Renngeschehen unterteilt in acht Kapitel:
Hopkinton
 
„Mass adchu ut“ (bei den großen Hügeln): Das zauberhafte Hinterland von Boston gab dem Indianerstamm seinen Namen. Ein Pistolenschuß - ein sehr dünner - gab um 10 Uhr das GO! zum großen Abenteuer. Und es ging gleich in die Vollen. Getreu des Namens seiner ausgerotteten roten Krieger stürzte sich die von Schlachtenbummlern, Sternenbannern und einer Sandböschung eingefaßte Strecke von den „mass adchu ut“ im freien Fall in die Tiefe: von 475 feet (145 Meter) innerhalb von zwei Meilen auf 165 feet (50 Meter). Im ersten Marsch mit den Kampfkojoten des „Corral 3“ kam ich flink vom Fleck. Flink, aber nicht zu flink, denn die ziemliche schmale Route 135 verhinderte ein frühes Überdrehen und allzu harte Schläge auf die Muskeln. Zugleich galt es, taktisch klug zu laufen und die richtige Balance zu finden: im Gefälle nicht zu bremsen und in den Steigungen nicht zu stark zu drücken. Ein gleichbleibender Herzschlag ist das Beste in welligem Profil. Und weiter verlor die Route an Höhe. Abschüssig und auf langen Geraden nach Nordosten folgte die Stätte der Geburt, die friedliche „Clock Town“...
 
Ashland
 
Ashland war von 1897 bis 1923 der Startort. Im April 1897 wurde die Strecke hier eingeweiht. John J. McDermott, Sieger des 1. Boston-Marathons, brauchte damals 2:55 Stunden. 111 Jahre später beklatschten die heutigen Bewohner von Ashland auf den Schindeldächern, Simsen und Verandas ihrer Häuser sitzend die Läufer der neuen Zeit. Van Halens „Runnin´ with the Devil“ erfüllte die Luft. Nach nicht mal zwanzig Minuten ging ich bei Kilometer 5 durch. Mit dem alten Glockenturm war eine vorübergehend schonende Ebene eingeläutet. Der Asphalt zog sich über flaches Waldland, das immer im Oktober durch den „Indian Summer“ in flammendes Rot getaucht wird. Eine kahle Wildnis mit blattlosen Kusseln und Sträuchern unterdessen heute... bis hin zur dritten Gemeinde im County Middlesex, der von Puritanern gegründeten Kleinstadt...
 
Framingham
 
... mit dem markanten Eisenbahndepot und den kreuzenden Schienen am Kilometer 10. Hinterher sollte ich erfahren, daß meine vom Zeitsystem AT&T prophezeite Marathonendzeit an diesem Punkt auf „Proj. Finish 2:49:25“ lag. Eine ungeheuer schnelle Zeit. Und ich konnte dieses Rennen lesen wie ein Buch, fühlte mich sicher. Weiter führte die alte Überlandstraße Rt. 135 - auf ausnahmsweise flachem Tiefland zwischen den still und geheimnisumwittert daliegenden Gewässern Fiske Pond und Lake Cochituate hindurch nach...
 
Natick
 
... und damit einer weiteren neuenglischen Siedlung aus hell angestrichenen Waldvillen und von Naturmauern umgebenen Gärten im Speckgürtel irgendwo in Massachuesetts. Einer der zehn ältesten Diner der USA soll hier beheimatet sein. Und nur einen Katzensprung entfernt im Norden, schrieb Henry Thoreau Mitte des 19. Jahrhunderts sein Buch „Walden“, das von seinem mit freiem Willen gewählten Einsiedlerdasein in einer Hütte am Waldensee handelt. Nachdem es bis Kilometer 15 - außer den in Bäumen sitzenden Yankees von Hopkinton - eher ruhig, durch ein noch im Winterschlaf liegendes Naturreich gegangen war, wartete an der zwölften Meile der lauteste Streckenabschnitt überhaupt. Der Punkt war schon von Weitem zu verorten!...
 
Wellesley
 
Die Athleten durchliefen den jährlich von zweieinhalbtausend kreischenden Ladys des Wellesley Colleges formierten TUNNEL OF LOVE. Ich sag´ nur: Wow! Wem hier kein Schauer übers Kreuz jagte, war kein Mensch und erst recht kein Marathonläufer! Manchen sollen im Sturm der Sprechchöre die Ohren mehr geschmerzt haben als die Muskeln. Ich selber konnte in dem Hexenkessel die eigene Atmung nicht mehr hören. Alles in mir spielte verrückt! In Wellesley wartete auch die Halbmarathon-Marke. 1:26:56 Std. Unfaßbar! Die Hochrechnung deutete auf eine Endzeit von 2:53 Stunden. Ich hatte an dieser Stelle nicht nur eine meterdicke Gänsehaut, sondern auch noch ziemlich viel Wasser in den Augen! Im Gefälle der Hell´s Alley und unter nicht endenden Anstachelungen der marathonverrückten Neighborhood - wie „Good job!“, „Great work!“, „Keep on pushing!“ und „You can do it!“ - war der 25. Kilometer erreicht. Jetzt begannen die eigentlichen Probleme...
 
Newton
 
Run to the hills, run for your lives: Mit dem Bollwerk der Newton Lower Falls und Newton Hills zwischen Meile 16 und 21 standen keine Leitern zu Gott bevor, aber das fortgeschrittene Stadium rieb in diesem Sektor die Muskeln nur so auf. Gleich der erste von sieben Anstiegen - die sich wie Kaugummi ziehende Brücke über den Charles River - hatte es in sich. Es war die einzige Stelle des Marathons ohne Anfeuerung, zudem blies der Wind ungehindert ins Gesicht, und vom Himmel brannte die Sonne herunter. An der 17. Meile, Woodland Country Club, wurde die einzige Energiequelle gereicht: ein Gel-Tütchen. Und auf der Meile danach, hinter der rotbraunen Fire Station, erwartete die Läufer in der Commonwealth Avenue die erste kräftigere Steigung der Newton Hills. Eine wiederum phantastische Kulisse trieb mich diesen Knüppel nur so empor. Um gleich darauf vom Titan im Gelben Trikot, Lance Armstrong, überholt zu werden. „Livestrong“ nahm mir bis ins Ziel zehn Minuten ab. „Es gibt nichts, was mit den Schmerzen auf diesem hügeligen Kurs vergleichbar ist. Einige Leute haben mir gesagt, daß die Anstiege hier nicht so schlimm seien, wie sie immer beschrieben werden. Aber das ist falsch. Dieser Kurs ist viel schwerer und nicht mit New York zu vergleichen, denn die Leute stehen viel dichter an der Strecke“, sagte der siebenmalige Tour-de-France-Sieger später. Meine Durchgangszeit am Kilometer 30 von 2:04:50 lag weiter auf Kurs 2:55 Stunden. Ich glaubte nicht eine Sekunde, daß der Traum noch entgleiten könnte. Aber der Glaube allein versetzt keine Berge. Am 32. Kilometer folgte der letzte Wall, das legendärste Teilstück im Marathonzirkus überhaupt: der auf einer Länge von einem Kilometer kaskadenartig ansteigende HEARTBREAK HILL! Die Straße ist so krumm, daß man das Ende nicht sehen kann. Nachdem ich alle Anstiege locker auf den Ballen gestürmt hatte, war der gefürchtete Mythos - ohne zu ahnen, daß er es ist - die erste Erhöhung, die mich nicht kalt ließ. Wären da nicht die schrillenden Jubelelfeen und jungen Damen vom Boston College gewesen, die jeden Läufer wie einen Star umjubelten. Spruchbänder wie „Kiss me, I´m single!“ und „I only date runners, because they have great stamina!“ waren entrollt... Obwohl ich mir auch noch selbst in mantrischer Manier „Push it!“ und „Das ist dein Rennen!“ zugeschrien habe: Er hat mir etwas zugesetzt.
 
Brookline
 
Hinterm Chestnut Hill Reservoir waren die sieben schweren Plattmacher genommen und im nächsten Hexenkessel, dem Cleveland Circle, das vom Charles River und Muddy River umgrenzte Akademikerstädtchen Brookline, der Geburtsort John F. Kennedys, erreicht. Trotz einer Schwächephase am Heartbreak Hill war nach 35 Kilometern eine Endzeit unter drei Stunden immer noch mit Händen zu greifen. Bis mich auf der kerzengerade nach Boston hineinführenden Beacon Street die Müdigkeit einholte. Ich fühlte mich ausgelaugt und verbraucht. Mehr noch im Geiste als körperlich. Keine fünf Kilometer mehr! Was war das schon? Da allerdings vom Halbmarathon an nur noch Meilen ausgewiesen waren, und ich bis dahin in Kilometern gedacht hatte, verlor ich überdies die Orientierung. Ein seltsames Gefühl...
 
Boston
 
Im Zielort lauerten immer noch kleinere Schikanen. Mal ein am Straßenrand marschierender Zug von Landsern. Dann wieder holprige Bahnschienen und Gullideckel. Und schließlich die Senke unter der Autobahn Mass Pike hindurch. Im Niemandsland um den Kenmore Square, vorbei am Fenway Park - der ältesten Baseballarena seit 1912, in der heute die Red Sox ihren Saisonauftakt am „Green Monster“ feierten -, vorbei an einer gigantischen Werbetafel der Tankstelle „Citgo“ zur Linken und einem Friedhof zur Rechten, stürzte die Zeit ins Bodenlose. Dann die Schlußmeile. Ein letztes Hügelchen von der Commonwealth Avenue auf die Hereford... und gleich wieder links - in die unendliche Boylston Street mit dem donnernden Ende unter den Wolkenkratzern drei Blocks voraus. Mit den Beinen des 29jährigen Siegers hätte ich die „Drei“ geknackt. Eine mysteriöse „SMS“ hatte es in der Nacht davor verhagelt. Doch hätte, wenn und aber gibt´s auch im Marathon nicht. Die Uhr verpaßte mir zwei Bagel: Nach 3:00:51 Stunden kreuzte ich als 1313. insgesamt und als 13. Deutscher die Linie auf dem Copley Square. 52 Sekunden - keine zweihundert Meter! - fehlten zur Schallmauer. Trotzdem war Boston ein maßgebliches Ereignis: Seit dem 21. April 2008 weiß ich, daß ich Marathons in 2:59 Stunden schaffen kann!
 
Peanut hatte bis aufs Blut gekämpft. Und das im wahrsten Sinne! Schon früh drückte der linke Schuh. Sie rieb sich den großen Zeh blutig, und wird wohl nie wieder Schuhe mit drei Streifen tragen. Aber sie hat tapfer die Zähne zusammengebissen, der zusätzlichen Tortur durch die sengende Mittagshitze widerstanden, und diesen denkwürdigen Marathon durchgestanden. Obwohl ihr hügeliges Terrain überhaupt nicht liegt, und sie im ersten der Newton Hills kurz verschnaufen mußte, konnte Peanut ihre Bestzeit über die 42,195 Kilometer sogar um eine Minute auf 4:17:34 Stunden steigern.
 
Weit vor uns waren die Gladiatoren über die Boylston und ins ZIEL unterm 344 Meter hohen Hancock-Turm gefegt. Im dramatischsten Finale der Geschichte hatte sich die anmutige Äthiopierin Dire Tune mit einem wilden Endspurt vor der ehemaligen Frankfurt-Siegerin Biktimirowa aus Rußland ins Ziel geworfen. Nach 42 Kilometern hatte ein Wimpernschlag von zwei Sekunden über Sieg und Niederlage entschieden. Direkt nach den mit 25 Minuten Vorsprung ins Rennen gegangen Frauen kam schon der erste Mann ins Ziel. Kenias Robert Cheruiyot hatte erneut alles und jeden klar dominiert. 2006 beim Chicago-Marathon auf der Zielmatte ausgerutscht und spektakulär auf den Hinterkopf gestürzt, durfte der afrikanische Recke heute zum Zeichen seines vierten Triumphs vier Finger zum Himmel strecken. Es war zugleich Cheruiyots dritter Sieg in Serie! Mit 2:07:46 Stunden war der Majors-Absahner aus dem Vorjahr (eine halbe Million Dollar) um nur 32 Sekunden langsamer als bei seinem Rekordlauf 2006. Die Deutschen wurden ein weiteres Mal schwer geschlagen. Lance Armstrong war zehn Minuten schneller als ich.
Die Ehrungen ließen auf sich warten. Erst nach hunderten Metern in den Fallwinden der Boylston wurde den Läufern die begehrte Medaille umgehängt. Eine alte Frau vom „Medical Team“ frug mich sorgenvoll „Are you okay? You look chilled!“ - Jenseits im Deutschen Eck der Family Meeting Area wartete nach zehn Wochen Verzicht auch ein in Papier gehülltes Büchslein „Bud light“. Eskortservice Ina hatte jedem ihrer Starter eins puritanisch korrekt verpackt mitgebracht. Dazu haben wir die Bagel aus den Verpflegungsbeuteln verputzt.
 
FAZIT
 
Ausstrahlung: Boston ist Kulturgut. Daher sind viele Zuschauer an der Strecke. Das Publikum guckt aber nicht bloß zu, und es brüllt einen auch nicht hohl an wie anderswo: Die Bostonians leben diesen Marathon. Das überträgt sich auch auf die Läufer und erzeugt eine dementsprechende Wirkung. Bedauerlicherweise stellte der TV-Sender Eurosport seine jährliche Direktübertragung ausgerechnet 2008 ein. Damit ging auch eine schöne Erinnerung unwiederbringlich verloren. Boston bedeutet aber auch immer eine knifflige Strecke, unberechenbares Wetter und in der Regel 26 Meilen Gegenwind. Gegen die äußeren Bedingungen ist der Mensch machtlos. Aber wer sich auf das Gelände einstellt, kann in Boston durchaus schnell laufen. Denn die unterschiedlichen Belastungen der Muskeln bieten auch Atempausen. „Boston is a course you need to do many times before you get the hang of it“, formulierte es Bill Rodgers mal. Für die Materialinteressierten noch unser Schuhwerk: Wir liefen mit Adidas Supernova Cushion 7 (Peanut) und Adidas adiZero CS (Gebrselassies Weltrekordschuh, Vitus).
Der Kampf in einer BILDERTAFEL - anklicken:
POST-MARATHON-KULTUR
 
Der Tag mündete in den Abend und der Marathon in eine Post Race Party mit typisch amerikanischer Mentalität. In einem Mix aus Filmvorführungen vom Tage, Livemusik einer jamaikanischen Folklorecombo, grauseligen „Soundvibrations“, flüchtiger Unterhaltung und Süßigkeiten on the house, durften die Läufer ab 20 Uhr im Ballsaal des Nachtclubs „The Roxy & Pearl“ eine flotte Sohle der tänzerischen Art hinlegen. Tausend Nimmermüde fanden sich ein und bereiteten diesem wunderbaren Montag ein ziemlich unrühmliches Ende. Wir selbst hatten uns schnell zum Biertrinken ins Dinerpub „Rock Bottom“ abgesetzt. Bei ungewöhnlichen Spezialitäten wie „Lumpy Dog“, „Black Sheep“ und „Molly´s Titanic“ mußte man allerdings davon ausgehen, daß das Gebräu einen schweren Kopf macht.
 
Dienstag, 22. April
 
Zu unseren Unternehmungen am Post-Race-Day zählte ein Streifzug über den Freedom Trail (Nordamerikas Pfad in die Freiheit). Die fünf Kilometer lange Pflasterspur begann in der Parklandschaft Boston Common. Von dort führte sie durch die Hochhäuser der Downtown, dann weiter durchs alte Viertel Little Italy, und über den Charles River in die Charlestown mit ihren Häusern aus der Pionierzeit im Norden Bostons. Unterwegs sahen wir 16 Propagandaplätze, Gotteshäuser und Friedhöfe aus dem Unabhängigkeitskrieg der englischen Siedler gegen das verfemte Vaterland, angefangen vom Common, dem ältesten Park der USA von 1634, über die King´s Chapel, das Old State House (ältestes Haus Bostons von 1711), die historischen Markthallen Faneuil Hall und Quincy Market bis hin zur U.S.S. „Constitution“, dem ältesten Kriegsschiff der Welt. Über 294 Stufen haben wir die Spitze des Bunker-Hill-Obelisk erklommen (hier war 1775 das Schlachtfeld der Kolonisten gegen die Rotröcke Englands), wir haben in der ältesten Schänke der USA, dem „Ye Olde Union Oyster House“, gegessen, und uns in den Abendstunden von einem betrunkenen Chauffeur zu einem Rockkonzert in Somerville bringen lassen:
...... Shepherdess, Whistle Jacket und The Great Buriers.
 
Mittwoch, 23. April
 
Bye-bye Boston... In den letzten Stunden durchstreiften wir die Downtown. Wir haben das Bill Rodgers Running Center besucht, und zwischen Vitrinen mit verstaubten Rennschuhen, Trophäen und Lorbeerkränzen auch den viermaligen Boston- und New-York-Matador ganz in natura angetroffen. Per Taxi ging es am Nachmittag zum drei Kilometer entfernten Flughafen Logan International. Von dort kehrten die Läufer allein zurück in ihren Heimatort. Da die meisten Europäer Boston 24 Stunden nach ihrem Wettkampf verlassen mußten, kamen wir in den Luxus, uns in einem der superlangen - und heute nur zur Hälfte besetzten Langstreckenflieger - ausbreiten zu dürfen.
 
Donnerstag, 24. April
 
Am Donnerstagmorgen deutscher Zeit setzte unsere Luftlande-Divsion am Boden des Frankfurter Flughafens auf. Damit ging die wundervolle Expedition nach Neuengland zu Ende. Nach drei Stunden Schlaf gegen die Zeitverschiebung erfolgte am Nachmittag des 24. April unsere Anmeldung für den BERLIN-MARATHON.
 
 

Kampfläufer Vitus, 1. Mai 2008
 
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 53ºF (12ºC), leichter Wind aus West (2 mph)
Zuschauer: ca. 500
 000
 
Gemeldet:
25
 283 (M: 14 844 / W: 10 439)
Am Start:
22
 375 (M: 13 263 / W: 9112)
Im Ziel: 21
 963 (M: 13 028 / W: 8935)
 
Männer
1. Robert Kipkoech Cheruiyot (Kenia) 2:07:46
2. Abderrahim Bouramdane (Marokko) 2:09:04
3. Khalid El Boumlili (Marokko) 2:10:35
4. Gasha Asfaw (Äthiopien) 2:10:47
5. Kasime Adillo (Äthiopien) 2:12:24
6. Timothy Cherigat (Kenia) 2:14:13
 
Frauen
1. Dire Tune (Äthiopien) 2:25:25
2. Alewtina Biktimirowa (Rußland) 2:25:27
3. Rita Jeptoo (Kenia) 2:26:34
4. Jelena Prokopcuka (Lettland) 2:28:12
5. Askale Tafa Magarsa (Äthiopien) 2:29:48
6. Bruna Genovese (Italien) 2:30:52
 
Kampfläufer Vitus
Startnummer:
6397
Nation: Deutschland
Zeit: 3:00:51 (PB)
Platz: 1313 von 22
 375 Gesamt
Platz: 1251 von 13
 263 bei den Männern
Platz: 293 von 4690 in Klasse M45
Zwischenzeiten
05 km: 0:19:52
10 km: 0:40:09
15 km: 1:01:14
20 km: 1:22:25
Halb: 1:26:56
25 km: 1:43:24
30 km: 2:04:50
35 km: 2:27:05
40 km: 2:50:51
Minuten pro Meile: 6:54
 

Peanut
Startnummer:
25368
Nation: Deutschland
Zeit: 4:17:34 (PB)
Platz: 17
 286 von 22 375 Gesamt
Platz: 6542 von 9112 bei den Frauen
Platz: 2253 von 3021 in Klasse W45
Zwischenzeiten
05 km: 0:28:37
10 km: 0:57:20
15 km: 1:26:21
20 km: 1:56:47
Halb: 2:03:20
25 km: 2:27:49
30 km: 2:59:44
35 km: 3:32:30
40 km: 4:04:24
Minuten pro Meile: 9:50
 
Ergebnisse

Boston-Marathon
Bilder
Boston.com
Von Hopkinton nach Boston in 4:30 Minuten

Real Video Course Tour